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Eine Entdeckung: Karl Friedrich Schinkel im Spiegel seiner Amtsakten

Die Akten zeigen einen übermenschlich arbeitsamen, hoch organisierten und zudem kontrollwütigen Bauaufseher. Schinkel hat sich genau in diesem Sinne verhalten.

Zur Rückkehr des preußischen Königs von den Friedensverhandlungen in Paris 1814 sollte Berlin festlich geschmückt werden. Karl Friedrich Schinkel, seit dem 19. Mai 1810 als „Geheimer Bauassessor“ im Staatsdienst, entwarf dazu eine Dekoration für die Bauten am Linden- Boulevard kurz vor dem Schloss.

Die Zeichnung ist jetzt erst aufgefunden worden, in den Akten, die aus Schinkels mehr als dreißigjähriger Tätigkeit als Baubeamter verblieben sind. Zum 200. Jahrestag seines Amtseides stellte das Geheime Staatsarchiv den nunmehr erschlossenen Bestand vor. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und selbst ein ausgewiesener Organisator des Wissenschaftsbetriebes, stellte den Inventarband mit dem Vortrag seines einleitenden Beitrags vor – unter dem Titel „Sagazität“, nach Kants Definition für „Nachforschungsgabe“: Es gelte, „Bescheid zu wissen, wie man gut suchen soll“.

„Gut suchen“ lässt sich in dem Inventarband, aber mehr noch geht es Parzinger um die „Dynamik“, in der sich „mit einer schließlich konsequenten Sachaktenführung ein adäquates Informationssystem strukturiert“. Die wissensökonomische Perspektive besagt, „Wissensarchive nicht als Steinbruch von bloßen Einzelinformationen, sondern selbst als Spiegelung genuiner Informations-, sprich: Entscheidungsabläufe“ zu erkennen.

Schinkel hat sich genau in diesem Sinne verhalten. Die Akten zeigen einen übermenschlich arbeitsamen, hoch organisierten und zudem kontrollwütigen Bauaufseher. Das ganze Preußen, das seit 1815 auch die Rheinlande mit ihrem reichen mittelalterlichen Erbe umfasste, war sein Arbeitsgebiet, zu jeder Kleinigkeit hat er sich geäußert. Schließlich landeten alle Bauanträge auf seinem Tisch.

Und zudem versteckte Schinkel noch in nebensächlichsten Vorgängen grundsätzliche Überlegungen. Der vorgesehene Turm der Stadtkirche von Rathenow hat Schinkel nicht gefallen. Er schrieb 1825: „Dagegen werden wirkliche Bildwerke der Kunst, in denen mannigfaltige Gedanken und Empfindungen in rein menschlicher Form auf eine edle und schöne Weise ausgesprochen sind, für denselben Kostenaufwand erreicht und dem Gebäude einen unvergänglichen Reiz für jedes Zeitalter verleihen können. Diese Bildwerke werden dann in ihrer Wirkung umso höher stehen, je einfacher das Gebäude selbst gehalten wird.“ Schöner hat Schinkel sein klassizistisches Ideal kaum je ausgedrückt, das eben kein trockenes Regelwerk meinte, sondern eine noble Haltung.

Schinkel hat sich in seinem Beruf verzehrt. Er starb 61-jährig, vom Schlaganfall gelähmt, im nach 28 Dienstjahren erklommenen Rang eines „Oberlandesbaudirektors“. Arbeitserleichterungen hat er bisweilen erwünscht, doch stets abgelehnt; noch 1840, bereits schwer erkrankt, schrieb er in zittrig gewordener Schrift: „Wenn es irgend möglich ist, werde ich kommen.“ Zu wichtig war ihm die Einflussnahme auf das ganze Baugeschehen, vor allem durch die eigenhändige Korrektur eingereichter Entwürfe. Davon sprechen die Akten – wenn sie denn so eindrucksvoll zum Sprechen gebracht werden. Es geht, so Parzinger scheinbar nebenbei, um die Forschung nicht nur en détail, sondern vor allem en méthode.

Schinkels Akten. Ein Inventar, bearbeitet von Reinhart Strecke u. a., Selbstverlag des Geheimen Staatsarchivs SPK, Berlin 2010. XXXIX und 416 S., 23 € plus Versand.

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