zum Hauptinhalt
Sie arbeitet hart. Katrin Wichmann als Nora Helmer am Deutschen Theater Berlin.

© Arno Declair

Eine neue "Nora" am Deutschen Theater Berlin: Sorry, wo ist das Money?

Alles nur für die Ökonomie: Stefan Pucher verscherbelt Ibsens Emanzipationsklassiker – in einer Bearbeitung von Armin Petras.

Nora erschießt Torvald. Das war Thomas Ostermeiers Einfall, als er 2002 an der Schaubühne die „Nora“ inszenierte. Irres Finish einer grandiosen, verstörenden Performance von Anne Tismer. Auch wenn manches dramaturgisch klemmte – Ibsens Briefgeheimnistuerei –, diese „Nora“ war ein gewaltiger Erfolg, sie hat Maßstäbe gesetzt.

Damals sah man das Drama einer Familie Neureich und Sauschick, zu Hause in Berlin-Mitte. Und das war stimmig. Das passte auch nach Charlottenburg, an den oberen Ku’damm, fast überall hin. Die „Nora“ der Schaubühne wurde zum Welttourneeerfolg.

Von der neuen „Nora“ am Deutschen Theater lässt sich nichts dergleichen sagen. Sie hat weder Ort noch Zeit, hier stimmt nichts. Armin Petras hat das Stück „neu eingerichtet“, Stefan Pucher setzt den Text in Szene, verdoppelt, verspiegelt. In düsteren Schwarz-Weiß-Videos erscheint das alte Stadttheater – mit Kostümen (von Annabelle Witt) wie aus dem 19. Jahrhundert und einer getragenen, psychologisierenden, also altmodischen Sprechweise. Das heutige Stadttheater ist vorn, rampenmäßig, Wohnen in einem Plexiglascontainer mit Hightechküche (Bühne: Barbara Ehnes), und die Diktion ist forciert, Businessdeutsch mit viel Englisch (fuck, sorry), und man denkt gleich: So redet doch keiner! Das tut weh! Vielleicht sollten deutsche Schauspieler erst einmal eine spezielle Prüfung ablegen, bevor sie auf der Bühne fuck sagen dürfen. Oder besser gleich darauf verzichten.

Petras hat das Stück zusammengestrichen auf die Partien, in denen es um Geld, Karriere und zu wenig Sex geht. Und Wichtigtuerei. Bullshit. Es ist die brachiale Ökonomisierung eines Texts, der seinen Ausgang nimmt in einer betrügerischen Transaktion, die wie immer bei Ibsen weit in der Vergangenheit liegt.

Aber diese Typen hier haben nur eine superflache, durchgestylte Jetzt-Existenz. Katrin Wichmann sieht man es an: Wie die Schauspielerin sich kleinmacht, um in diese Nora zu schlüpfen, in diese Rolle, die es erfordert, die Intelligenz in der Garderobe zu lassen. Hektische Nora, überforderte Mutter, genervte Gattin, die ihn, den Bankdirektor in spe, nicht mehr liebt? No, please! Das sind alles plumpe Zuschreibungen, es könnte alles auch ganz anders sein – es ist egal.

Torvald Helmer, der Mann, wird von Bernd Moss kantig präsentiert als kleines, nettes Arschloch. Vielleicht ist ja auch sein Nora-Blondchen komplett eine blöde Zicke. Wen soll das interessieren?

Der Rest der Truppe fremdelt. Soll der todkranke Hausfreund Rank (Daniel Hoevels) hier wirklich seine Finger im Spiel haben, und wer soll sich fürchten vor den Intrigen des Bankangestellten Krogstad (Moritz Grove), wenn sich die Regie bloß lustig macht über dieses arme Würstchen? Christine, Noras alte Freundin, hat als Einzige ein kleines Geheimnis, etwas, das sich nicht gleich zeigt. Das macht Tabea Bettin unter diesen Umständen gut.

Nora verlässt Torvald. Sagt sie. Wird sie aber nicht. Nicht in dieser Inszenierung, deren gedankliche Schlichtheit erschreckt. Was Petras da fabriziert hat, ist mit dem Wort unterkomplex noch freundlich beschrieben. Daraus lässt sich beim besten Willen vonseiten der Regie nichts retten. Aber da ist in den knapp achtzig Minuten Spieldauer auch der Verdacht, dass Pucher genau das entgegenkommt.

Nora und Christine greifen zum Mikrofon, singen sich aus dem ganzen Mist heraus. „She works hard for the money“, ein Song von Donna Summer aus den frühen Achtzigern. Das ist das Hauptproblem dieser „Nora“. Sie will radikal sein, wahnsinnig heutig, aber sie ist undefinierbar alt. Ein ärgerlicher Abend, wenn es nicht so traurig wäre.

(Wieder am 7., 12., 17. und 31. Dezember.)

Zur Startseite