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Kultur: Eine Politgeschichte der Potsdamer Garnisonkirche

Das wäre doch nun mal wirklich eine Chance gewesen: eine politische Geschichte der Potsdamer Garnisonkirche. Doch beim Lesen des Bandes von Karl Gass erscheint es, als wenn die Zeit stehen geblieben wäre; allerdings nicht seit Preußens Gloria, sondern seit dem Untergang der DDR und ihrer Bildungspropaganda.

Das wäre doch nun mal wirklich eine Chance gewesen: eine politische Geschichte der Potsdamer Garnisonkirche. Doch beim Lesen des Bandes von Karl Gass erscheint es, als wenn die Zeit stehen geblieben wäre; allerdings nicht seit Preußens Gloria, sondern seit dem Untergang der DDR und ihrer Bildungspropaganda. Aus jeder Seite tropft die antimilitaristische Moral, ständig donnern finstere Kanonen und hallen Trommeln (was hätte ein ordentlicher Lektor hier an Streichmasse gehabt), wird auf Soldaten rumgeprügelt oder ihnen finster das Neue Testament untergeschoben.

Der Focus des Buches erscheint bereits auf dem Titelblatt: "Der Tag von Potsdam" am 21. März 1933, als Hitler und Hindenburg sich über dem Grab von Friedrich II. trafen. Nach Gass läuft seit der Gründung der Kirche 1731 eigentlich alles unaufhaltsam auf diesen Händedruck hinaus. Puritanisch wie einst Margot Honecker gibt sich der Text - selbst die ganz bürgerliche Lebenslust Königin Luises stört den Autor. So scheint er völlig unfähig, andere Zeiten als eigenständige Kulturphänomene zu akzeptieren, die nicht seinen vorgegebenen Regeln folgen.

Das beginnt schon damit, dass Gass es als etwas ganz und gar Unerhörtes darstellt, dass in Potsdam überhaupt eine nur für die Garnison eingerichtete Predigtkirche eingerichtet wurde; dass es ähnliche in jeder preußischen, jeder Stadt überhaupt gab, die Militär beherbergte, wen interessiert das schon. Manchmal schreibt er schlichten Unsinn - Versailles Schlosskapelle, dieses Hauptstück des französischen Barocks, der Renaissance zuzuschreiben, ist da noch ein kleiner Lapsus. Überhaupt, Kunstgeschichte ist seine Sache insgesamt nicht, und so erfährt man auf den mehr als 300 Seiten praktisch kaum, wie die Architektur und die Ausstattung aussah, welche Vorbilder bei ihrem Bau zu Rate gezogen wurden - außer dem fehlerhaften Vergleich mit Amsterdams Grachtenkirchen - und wie sie sich verändert hat.

Dabei erfährt man - von Trommeln umtost - immer wieder interessante Anekdoten und viele Zitate; doch leider wird uns fast nie mitgeteilt, wer denn wann wie über Potsdam, den preußischen Militarismus oder überhaupt sprach. Dafür dürfen wir die unsägliche Rede des Hofpredigers Rogge zur Proklamation des Kaiserreiches 1871 in toto lesen; nein, die fand nicht in der Garnisonkirche, sondern in besagtem Versailles statt.

Worüber wir ebenfalls nichts erfahren, ist die Abrissgeschichte der Garnisonkirche. Sie verdunstet offenbar irgendwann nach dem Krieg, kaum dass der Name DDR erwähnt wird. Doch gerade war deren Zeit abgelaufen, "marschieren" auch schon finstere, westlich gesteuerte "Traditionsvereine" ins heile Potsdam ein, natürlich eng mit der Bundeswehr vereint, erhalten nicht nur die "Gemeinnützigkeit" (in Anführungsstrichen, denn wie könnte ein solcher Verein wirklich gemeinnützig sein), sondern wollen den "Militärtempel" tatsächlich aufbauen. Gass könnte mit seinem Buch einen ungewollten Beitrag zu diesem ja durchaus kritikwürdigen Werk geleistet haben. Denn wer soll die politisch problematische Geschichte der Potsdamer Garnisonkirche nun noch als Argument gegen ihren Wiederaufbau einsetzen können? Würde er doch immer mit diesem Buch assoziiert werden.Karl Gass: Der Militärtempel der Hohenzollern. Aus der Geschichte "unserer lieben" Garnisonkirche zu Potsdam. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1999, 319 Seiten, 19 S-W-Abbildungen. 29,80 DM

Nikolaus Bernau

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