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Kultur: Eine Tragödie, du Pfeife

Buck & Co.: Reden über den deutschen Film

Es geht bunt zu auf dem Podium, und leger: gestreiftes Sweatshirt, grüne Hose (Detlev Buck), Jeans und Polohemd (Hans-Christian Schmid), ordentlich blaues Hemd, graue Hose (Florian Henckel von Donnersmarck), Jeans und Leinenblazer (Andreas Dresen), schwarzes Top, braune Stiefelchen (Vanessa Jopp). Ein bunter Filmjahrgang auch, den diese fünf Regisseure vertreten: ein NeuköllnActionfilm, der eigentlich eine Tragödie ist („Knallhart“), ein Exorzismus-Film, der eigentlich ein Familiendrama ist („Requiem“), ein Stasi-Film, der vom guten Menschen erzählt („Das Leben der Anderen“), eine Hartz IV-Komödie über die Einsamkeit („Sommer vorm Balkon“) und ein Episodenfilm („Komm näher“), bei dem die Schauspieler beim Dreh oft nicht wussten, wie die Story weitergeht.

Alle fünf Filme – plus das Selbstmordattentäter-Drama „Paradise Now“ von Hany Abu-Assad, der zurzeit in den USA dreht – sind für den Deutschen Filmpreis nominiert, der am 12. Mai in Berlin vergeben wird. Im Filmtheater am Friedrichshain diskutierten die Regisseure, moderiert von Alfred Holighaus, zum Auftakt des Lola-Festivals, das alle nominierten Filme in 20 Städten erneut ins Kino bringt (www.deutscher-filmpreis.de). Halb Klassentreffen, halb Gipfelgespräch – und die Funken fliegen: zwischen dem Poltergeist (Buck), dem netten Jungen (Dresen), dem Stillen (Schmid), dem Überflieger (Henckel von Donnersmarck) und der jungen Mutter, die bekennt, in letzter Zeit mehr gelebt zu haben als ins Kino gegangen zu sein (Jopp).

Ein erhellendes Reden über Film, bei allen Differenzen harmonisch, ernsthaft, offen – und in wechselnden Koalitionen: die Tragöden (Buck, Schmid) gegen die Komödianten (Dresen, Jopp), die Geschichtsschreiber (Henckel von Donnersmarck, Schmid) gegen die Hier-und-Jetzigen (Buck, Dresen), die Improvisateure (Jopp, Dresen) gegen die minutiös Planenden (Henckel von Donnersmarck, Schmid), Berlin-Filme gegen Provinzfilme. Den schwersten Stand hatte Henckel von Donnersmarck, mit Jahrgang 1973 der Jüngste auf dem Podium, der auf einem strengen Drehplan und minutiöser Vorarbeit beharrt sowie auf Authentizität in der Fiktion. Am offensten berichtet Vanessa Jopp über ihren Dreh, und die Rolle des Darlings, mal aggressiv, mal charmant, teilen sich Dresen und Buck.

Man streitet über Wahrheit und Objektivität, entdeckt gemeinsame Vorbilder (Ken Loach) und Probleme (immer diese schrecklichen Trailer) und träumt einen gemeinsamen Traum: einmal einen Film chronologisch drehen. Andreas Dresen bekennt: „Ich hab’s getan“ – und kann es nicht unbedingt empfehlen. Und man schwelgt in Anekdoten: Axel Prahl, der in „Sommer vorm Balkon“ durchs Bild läuft und verkündet: „Es ist kein Klopapier mehr da.“ Die Regieassistentin, die mit dem Klappstuhl auf der Schönhauser Allee sitzt, Passanten castet und einen Gemüsehändler findet, der selbst Andreas Dresen verblüfft. Henckel von Donnersmarck, der für die Dialogszene „Soll ich Sie anketten?“ beim ehemaligen Stasi-Offizier erfragen muss, dass es „fixieren“ heißt. Und der Zuschauer, der Buck entgegenhält, sein Film habe ein moralisches Problem, weil die Hauptfigur am Ende jemanden erschießt. Bucks Antwort: „Das ist doch eine griechische Tragödie, du Pfeife. Griechische Tragödien haben kein Happy End.“

Christina Tilmann

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