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Kultur: Eine umfassende Filmreihe im Arsenal präsentiert Meisterwerke des japanischen Kinos aus acht Jahrzehnten

In dem tschechischen Film "Knopflikari" (Knöpfler, 1997) von Petr Selenka gibt es eine Episode, in der ein aus Amerika heimgekehrter Japaner den Daheimgebliebenen vom american way of life vorschwärmt. Neben dem kalifornischen Wetter hat es ihm dabei vor allem die Kunst des verbalen Fluchens angetan.

In dem tschechischen Film "Knopflikari" (Knöpfler, 1997) von Petr Selenka gibt es eine Episode, in der ein aus Amerika heimgekehrter Japaner den Daheimgebliebenen vom american way of life vorschwärmt. Neben dem kalifornischen Wetter hat es ihm dabei vor allem die Kunst des verbalen Fluchens angetan. Während der Mann unten auf Erden im Besuchszimmer ziemlich erfolglos versucht, seinen gelehrigen Zuhörern wenigstens ein paar four-letter-words beizubringen, sehen wir kontrapunktierend oben im Himmel über der Stadt zwei Bomber-Piloten (es sind die der "Enola Gray"), die mit vielen "fuckings" ausgiebig die gewöhnliche, uns vertraute Seite der gepriesenen Schimpf-Kultur praktizieren.

So schief kann kulturelle Fremdwahrnehmung laufen. Selenka zeigt sie uns hier am Beispiel der von ihm fiktiv eingenommen anderen Seite. Dabei verschiebt er die nach der Weltkriegsniederlage einsetzende Faszination der Japaner für alles Amerikanische zurück auf eine irritierende Unzeit, nämlich den 6. August 1945, den Tag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. In der Art der Inszenierung zitiert seine Heimkehrerszene den Typus japanischen Kinos, zu dessen Inbegriff der Regisseur Yasujiro Ozu geworden ist: Ruhige, repetitive Einstellungen von Menschen auf Tatamis, den Strohmatten, mit denen die Japaner ihre Fußböden parkettieren. Sake wird zubereitet und gereicht oder Tee. Die Kamera ist etwa in Augenhöhe der Sitzenden und bewegt sich kaum. Und, das ist jetzt nicht mehr Selenkas Zitat sondern Ozu selbst, die schlichten, meist im Familienkontext angesiedelten Geschichten bewegen sich in gleichmäßigem Takt einem Ende zu, dass nie dramatisch, oft dafür mit verhaltener Trauer gefüllt ist. "Mono no aware" heisst der Begriff für dieses "Angerührtsein von der Schönheit und der gleichzeitigen Einsicht in die Hinfälligkeit alles Irdischen" im Japanischen. Wer sich auf die Haltung dieser Filme, ihre Distanz, ihre Gelassenheit, ihren Rhythmus einlässt, hat die Chance, ein wenig von der abgeklärten Melancholie zu gewinnen, mit der diese Filme menschliches Leben beschreiben: "Man tritt zurück, und seltsamerweise bringt der Schritt zurück einen näher heran", nennt es der Filmwissenschaftler Donald Ritchie.

Der japanischste aller japanischen Regisseure wurde Ozu oft genant. Das stimmt und es stimmt nicht. Denn sehr früh und sehr intensiv schon hat sich der Regisseure mit dem westlichen, vor allem dem amerikanischen Kino beschäftigt und sich von ihm inspirieren lassen. Auch war er alles andere als ein Traditionalist. Dabei war es ironischerweise gerade die alltägliche "Japanischkeit" seiner "gendaigeki", also Gegenwartsfilme, die dem damaligen westlichen Publikum nicht "japanisch" genug zu sein schien. Denn es waren andere Regisseure, die das japanische Kino im Westen bekannt machten. Als Markierungspunkt dürfte dabei das Jahr 1951 gelten, in dem Akira Kurosawas "Rashomon" auf dem Festival in Venedig den Großen Preis erhielt.

Nicht alltäglicher Alltag

"Rashomon", wie auch Kenji Mizoguchis erste grosse Erfolge im Westen, "Saikaku ichidai onna" (Das Leben Oharus, 1952) und "Ugetsu Monogatari" (Erzählungen unter dem Regenmond, 1953) waren beides "jidaigeki", Epochen-Stücke, die in einem historischen Kontext angesiedelt waren und westliche Erwartungen an eine exotische Filmkultur besser bedienten. Erst in den Achtzigern war man bereit, vielleicht aufgrund einer Sensibilisierung für die formale Seite der Filmsprache, auch Gegenwartsfilme, erst die Yasujiro Ozus, dann auch die von Regisseuren wie Heinosuke Goshos oder Mikio Naruse zu entdecken.

Das Werk Ozus wurde letztes Jahr in einer großen Retrospektive von den Freunden der deutschen Kinemathek im Kino Arsenal gewürdigt. Jetzt steht im Rahmen des von der Berliner Festspiele GmbH veranstalteten Eventkomplexes "Japan in Berlin 1999/ 2000" auch eine umfangreiche Schau des japanischen Kinos auf dem Programm. Eine Schau allerdings, die - im Unterschied zur letzten großen Japan-Retrospektive im gleichen Hause 1993 - nicht Gesamtschau sein will, sondern gezielt gewichtet. So werden in einem ersten Teil in den Monaten Januar und Februar über fünfzig Filme des klassischen japanischen Kinos von der Stummfilömzeit bis zu Nagisa Oshimas "Die Zeremonie" (1971) gezeigt, während sich später im Jahr nach dem Umzug des "Arsenal" zu Sony an den Potsdamer Platz eine Schau des japanischen Kinos der neunziger Jahre anschließt. Die siebziger und achtziger Jahre bleiben also ausgespart, ein gestalterischer Handgriff, um so die Neueste Welle des jungen japanischen Kinos direkt auf die Klassiker zu projizieren.

Wieweit das funktioniert, wird erst im Rückblick zu beurteilen sein. 1972 war auch das Jahr, von dem der Regisseur Nagisa Oshima angibt, dass er danach nur noch "eigene Filme", keine "japanischen Filme" mehr machen könne. Auf sein "Im Reich der Sinne" (1976) müssen wir also verzichten. Und von den ganz frühen Filmen des japanischen Kinos, dessen Filmindustrie damals an Größe und Bedeutung mit Hollywood konkurrierte, sind leider nur noch wenige erhalten, die allerdings alle höchst sehenswert sind. Und interessante Fragen aufwerfen. So sieht etwa "Kurutta Ippeiji" (Eine Seite des Wahnsinns, 1926) von Teinosuke Kinugasa, der früheste der gezeigten Filme, deutlich expressionistisch beeinflusst aus, obwohl Regisseur Kinugasa behauptet, nie einen der entsprechenden deutschen Filme gesehen zu haben. Der größte Teil der Reihe ist aber Filmen der sogenannten zweiten goldenen Periode des japanischen Kinos in den fünfziger und frühen sechziger Jahren gewidmet, wobei neben den bekannten Titeln und Namen etwa auch die Filme des Melodramatikers Keisuke Kinoshita oder des poetischen Realisten Mikio Naruse zu entdecken sind.

Erleuchtung im Feng Shui

Die Ost-Asien-Welle, die vor über zehn Jahren mit den Sushi-Bars in die besseren Viertel und den Futons in die Schlafzimmer einzog, hat ihre Kreise mittlerweile bis in die Niederungen der Billig-Möbelhäuser gezogen, die unter dem "Asia"-Label deformierte Couchtische anbieten. Feng-Shui-Bücher vom Ramschtisch lehren uns, wie wir das mühsam in unsere Behausung gelockte "chi" daran hindern, gleich wieder zur Toilette hinauszuschlüpfen. Doris Dörrie, selbst zur Buddhistin konvertiert, lässt in ihrem im Januar startenden Kinofilm "Erleuchtung garantiert" zwei beziehungs- und stressgeplagte deutsche Männer mit Putzen und Beten in einem japanischen Kloster der Erleuchtung ein bisschen näher kommen.

Buddhistischer Abenteururlaub. Dörries Film ist doch wieder nur die Übertragung deutscher Komödienformeln auf ein exotisches Setting. Das Japan, das er uns zeigt, im Kontrast der Extreme von klösterlicher Abgeschiedenheit und Tokioter Großstadthektik eine direkte Reproduktion neuerer touristischer Japan-Klischees. Wobei wir wieder bei den kulturellen Fremdbildern wären. Wir können natürlich einfach das Fluchen lernen. Wer aber wirklich etwas von der Vielfalt, den Eigenheiten und auch von den Verbindungen dieser fremden (Film-)Kultur zu unserer eigenen erfahren will, sollte sich lieber die Originale anschauen. Erleuchtung ist da zwar nicht garantiert. Aber zu erfahren gibt es eine Menge. Zu genießen sowieso. Nur: Warum fehlt Godzilla?

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