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Die "Chimurenga Chronic" im Muster-Layout.

© promo

Eine Zeitschrift für Afrika: Suppe und Köchin

Die vierteljährlich erscheinende "Chimurenga Chronic" mit Sitz in Kapstadt versteht sich als kulturpolitische Zeitung für ganz Afrika. Die Bundeskulturstiftung hat ihr jetzt eine einmalige deutsche Sonderausgabe finanziert.

Von Gregor Dotzauer

Ihre Mission formuliert die „Chimurenga Chronic“ schon im Untertitel. „Who no know go know“. Ahnungslos? Nu denn mal los. Und zwar „now-now“, also hopphopp, quer durch den Gemüsegarten von Essay, Erzählung und Reportage, von postkolonialer Theorie und Poprebellentum, den die „pan African gazette“ mit Sitz in Kapstadt seit 2008 allvierteljährlich bestellt. Hier ein Porträt des ghanaischen Hip-Hop-Duos FOKN Bois, das in seinem sogenannten Gospel „Christian Porn Rap“ jede Form religiös zugeknöpfter Sexualmoral mit einer Flut von Obszönitäten attackiert. Dort ein soziologisch unterfütterter Bericht über die somalischen Kleinunternehmer in Nairobis Stadtteil Eastleigh, die unter den einheimischen Kenianern Überfremdungsängste schüren. Hier ein Blick hinter die Kulissen der beiden miteinander konkurrierenden Kunst-Biennalen in Benin, dort Fallgeschichten von Menschen aus dem Kongo und aus Simbabwe, die in Johannesburg sterben und in ihrer Heimat beerdigt werden sollen.

Die Bundeskulturstiftung hat der „Chimurenga Chronic“ nun die einmalige Gelegenheit gegeben, die besten Stücke aus drei Ausgaben in einer deutschen Ausgabe im Original-Layout zu präsentieren – passend zum derzeitigen Afrika-Schwerpunkt der Stiftung, der auch die aktuelle Nummer des hauseigenen Magazins bestimmt. Beide Zeitungen sind über die Website kostenlos zu bestellen. Was aber heißt eigentlich Afrika? Wird die Anmaßung zusammenfassend über die Kultur eines ganzen Kontinents, auf dem über 2000 Sprachen gesprochen werden, besser, wenn man sich auf panafrikanische Verhältnisse bezieht?

Die „Chimurenga Chronic“, die ein Wort aus der Bantu-Sprache Shona im Titel führt, das für eine kämpferische Emanzipation von westlichen Standards steht, macht auch das zum Thema. „Ich bin verdammt noch mal kein afrikanischer Autor!“ überschreibt der nigerianische Erzähler Akin Adesokan, der in Indiana Komparatistik lehrt, seine Polemik. Sie setzt sich mit einer weit verbreiteten Verweigerungshaltung auseinander. Erst 2013 wies Taiye Selasi in ihrer Eröffnungsrede zum Internationalen Literaturfestival Berlin die Idee einer afrikanischen Literatur als nichtssagend zurück – wobei sie als in London geborene Tochter ghanaisch-nigerianischer Eltern, die mit US-Pass und holländischem Ehemann in Rom lebt, eine derart hybride Existenz führt, dass ihr jede Identitätsaussage zuwider sein muss.

Adesokan hält solchen Positionen entgegen, dass es eine afrikanische Literatur zweifellos gibt, ja dass ein Roman wie „The Healers“ des Ghanaers Ayi Kwei Armah „nur von jemandem geschrieben werden konnte, der sich bewusst als afrikanischer Autor versteht“. Zugleich weiß er, dass es immer auf die jeweilige Perspektive ankommt. In Malawis Hauptstadt Lilongwe zu leugnen, ein afrikanischer Schriftsteller zu sein, sei so abwegig, wie einem afrikanischstämmigen Publikum einen Vortrag zu halten, wie man über den Kontinent zu schreiben habe.

Da liegt aber auch der Hebel für Kritik. Während das Magazin der Kulturstiftung einen Auszug aus dem im Westen hochgelobten Roman „Americanah“ (S. Fischer) der in New York lebenden Nigerianerin Chimamanda Ngozi Adichie druckt, macht ihm ihre Landsfrau, die Bloggerin und Schriftstellerin Yemisi Ogbe, in der „Chimurenga Chronic“ den Vorwurf, die USA allzu sehr als „gleißende Sonne am nigerianischen Himmel“ darzustellen. Aus Ogbes Sicht muss das wohl so aussehen. Als Bewohnerin der Hafenstadt Calabar hat sie auch andere Geschichten zu erzählen. Hinreißend ihr Text über die Frau als Suppenköchin in der Doppelrolle von verführerischer Liebeshexe und den Ehemann bei der Stange haltendem Muttertier.

Eine bittere Sehnsucht nach Rekolonisierung spricht der Kameruner Filmemacher Jean-Pierre Bekolo Obama aus. „Das Konzept der Selbstbestimmung“, klagt er, „ist inzwischen kaum mehr als eine Waffe in den Händen einer korrupten Elite.“ Die afrikanische Kunst bekomme aus dem Westen mehr Unterstützung als aus dem eigenen Kontinent. Gibt ihm nicht auch die deutsche Ausgabe der „Chimurenga Chronic“ darin recht?

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