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Kultur: Einladung zum Kuscheln

Wahre Weiberhelden tun das nicht, sie schwächen niemals ihren Verführungsstil, indem sie ihn durch Indiskretionen diskreditieren.Moricet aber ist anders, denn er ist eine Feydeau-Figur.

Wahre Weiberhelden tun das nicht, sie schwächen niemals ihren Verführungsstil, indem sie ihn durch Indiskretionen diskreditieren.Moricet aber ist anders, denn er ist eine Feydeau-Figur.Er gehört also zu jenen, die immer wollen, selten dürfen und eigentlich gar nicht können.Deshalb ist Moricets Begattungsverhalten keine Geheimwissenschaft, sondern ein Witz, ein ziemlich eindeutiger sogar.Und so sucht der Möchtegern-Galan immer mal wieder die Nähe der Rampe, um dem Publikum penetrant sein ganz spezielles Abschleppverfahren zu erläutern: "Das ist wie in der Chirurgie", zischt er uns zu, als die von ihm zum Abschuß vorgesehene Leontine beim Anblick des bereitgestellten Lotterbettes kreischend aus dem Fadenkreuz springt: "Niemals zu früh die Instrumente zeigen!" Alles nur eine Frage der Technik bei Feydeau, Lustgewinn und Lustverlust, Sinnesrausch und Beischlafstörung, Zwerchfellreiz und Herzensbruch.Wichtig ist, wie ein Regisseur mit dieser Technik umgeht.Wendet er sie einfach nur an (wie die wahren Liebhaber) und legt so die Zuschauer umstandslos flach? Oder verzichtet er auf diese allzu willfährige Beute und zieht das Kaninchen erst aus dem Zylinder, nachdem er ihn vor unseren Augen gründlich auf seine doppelten Böden abgeklopft hat?

Thomas Langhoff, Intendant des Deutschen Theaters, der zu Beginn der neuen Spielzeit sein Haus als Domäne der anspruchsvollen Unterhaltung präsentieren möchte, bemüht sich, einen Mittelweg zu beschreiten.Als gewissenhafter Lustspielmechaniker möchte er, daß die Maschine funktioniert - und zugleich demonstrieren, warum sie es tut.Prompt gerät Sand ins Getriebe.Häufig bremst die Methode den Wahnsinn statt ihn zu befördern.Und nicht immer liegt der Hase pikant im Pfeffer.Manchmal ist er auch nur ein fades, faseriges Stück Dörrfleisch, auf dem man mit langen Zähnen höflich herumkaut.

Feydeaus durchgeknallte Schürzenjägerposse "Wie man Hasen jagt" lebt von der nicht neuen Erkenntnis, daß das Komödiantischste am Geschlechterverkehr der Triebstau ist.Betrieben wird die übliche linkisch-panische Seitensprunggymnastik, nur dieses Mal im waidmännischen Gewand.An jedem Wochenende geht Duchotel auf die Pirsch, und es versteht sich, daß er dabei in fremden Revieren wildert.Darüber vergißt er seine eigenen Jagdgründe, in denen der Arzt und Freizeitpoet Moricet längst Duchotels Gattin Leontine, das scheue Reh, ins Visier genommen hat.In einem verplüschten Stundenhotel, unter den Fittichen der Nobelpuffmutter Latour (Christine Schorn), kommt es zur Kollision einander durchkreuzender libidinöser Energien - und zahlreiche verschlossene Türen (die sich im falschen Augenblick öffnen) sowie diverse verschwundene Hosen (die zum ungünstigsten Zeitpunkt wieder auftauchen) tragen ihr übriges bei zum großen Verwirr- und Verwechselspiel.Nur mit Ach und Krach gelingt Feydeaus sturzbetrunkenen Ehebruchpiloten zuletzt die Notlandung.Die Stundenfalle spuckt sie wieder aus, der Konventionenkäfig schnappt zu: So jagt und fängt man Hasen.

In Langhoffs Inszenierung geht es dagegen deutlich gemütlicher zu.Die Figuren bleiben stets auf dem Teppich, den das bürgerliche Lachtheater ihnen unter die nervösen Freiersfüße legt.Niemals entgleiten sie auf das schlüpfrige Parkett des Katastrophenboulevards, auf dem jeder Schritt an den Rand des Abgrunds führen kann.Sie wahren die Kontrolle, geraten nicht ins komödiantische Räderwerk, versagen der tendenziell seelenlosen Marionettenspielmechanik Feydeaus zuweilen sogar den Dienst.Der Verzicht auf groteske Zuspitzung und rasanten Irrwitz schafft also auch Raum für Charakterkomik, für Schauspieler, die mehr sein können und wollen als virtuose Zappelmännchen: Thomas Bading als Moricet, ein pomadiger Galan mit schmierigem Buster-Keaton-Touch.Christian Grashof als Duchotel, ein saturierter Spießbürger, der stets eine imaginäre Wohlstandswampe vor sich her zu schieben scheint.Und natürlich Dagmar Manzel als Leontine, die vom naiven Gurrtäubchen unversehens zur kiebigen Mistkrähe mutieren kann, wenn ihr die ganze (überwiegend verhinderte) Vögelei zu bunt wird - sehr hübsch zum Beispiel, wenn sie ihren Gatten angesichts seiner suspekten Jagdbeute anzickt: "Da ist dir ja eine leckere Pastete vor die Flinte geraten ..."

Ganz am Rande bringt Walter Schmidinger als Kommissar Bridois sogar noch ein wenig Unheimlichkeit ins Spiel, und Michael Gerbers betrogener Ehemann Cassagne ist in seiner Redlichkeit durchaus mitleiderregend, während Stephan Grossmanns geckiger Neffe Gontran doch ziemlich lachhaft daherkommt, was ja in diesem Fall kein Schaden ist.Die Kostümbildnerin Andrea Schmidt-Futterer hat sie alle sehr ansehnlich in Samt und Seide gesteckt und Karl-Ernst Herrmann ein dekoratives Ambiente geschaffen, purpurrot und giftgrün glühende Tapetengrüfte, in denen sich viel domestizierte Natur tummelt, Tigerfelle und Pfauenaugen, allerlei Gehörntes und Ausgestopftes.Und manchmal sieht die ganze Aufführung in ihrer parfümierten Frivolität wie ein mit Zierkissen überladenes Kanapee aus, das zum Kuscheln einlädt: zuviel Behaglichkeit für Feydeau, der die bürgerliche Scheinmoral aus ihrer Sofaecke scheuchte.

Wieder am 22.und 23.August sowie am 4., 12., 13.und 27.September.

MEIKE MATTHES

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