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Kultur: Einmal war sie glücklich

Marilyn, wie wir sie noch nie gesehen haben: Ein sensationeller neuer Bildband zeigt Momente ihrer großen Liebe

Sie war unglaublich fotogen. Es sei unmöglich gewesen, sie schlecht zu fotografieren, berichten alle, die sie vor die Linse bekamen. Zum Beispiel die Magnum-Fotografin und spätere Miller-Ehefrau Inge Morath, die Marilyn 1961 während der Dreharbeiten zu John Hustons Western „Misfits“ porträtierte: „Sie hatte etwas Schillerndes, Geheimnisvolles, und wenn sie sich bewegte, erhielt das Ganze noch einen besonderen Schmelz.“ Elliott Erwitt schwärmte: „Sie liebte die Fotografen, und die Kamera war verrückt nach ihr. “ Und Eve Arnold erinnert sich: „Wenn man sie fotografierte, kontrollierte und manipulierte sie alles: mich, die Kamera. Sie kannte sich aus mit dem Fotoapparat und entlockte ihm Reaktionen, wie ich es bei keinem anderen Menschen gesehen habe.“

1961, bei den Dreharbeiten von „Misfits“, war die besten Magnum-Fotografen dabei: Henri Cartier-Bresson, Inge Morath, Eve Arnold, Ernst Haas, Cornell Capa, Elliot Erwitt und Erich Hartmann. Sie fotografierten ein Endspiel. Für zwei der beteiligten Stars war es der letzte Film: Clark Gable, der den alternden Cowboy spielt, starb zwei Wochen nach der letzten Einstellung an den Folgen eines Herzanfalls. Marilyn, die in „Misfits“ besser, schöner, anrührender spielte als je zuvor, ein Jahr später an einer Überdosis Schlafmittel.

„Misfits“ ist ihr letzter vollendeter Film. Und es ist der Film, der das Ende der Beziehung zu Arthur Miller bedeutet. Fünf Jahre lang waren Miller und Monroe, der Dramatiker und der Hollywood-Star, zusammen gewesen. Das Drehbuch zu „Misfits“, von Miller als Geschenk für Marilyn und als Türöffner für eine Karriere als ernsthafte Schauspielerin gedacht, konnte die Beziehung nicht mehr retten. Wenige Wochen nach Drehschluss trennt sich Marilyn von ihm.

Das war das Ende. Bilder vom Anfang, von einer anderen, glücklicheren Zeit, veröffentlicht der Lardon-Verlag nun exklusiv. „Marilyn – The New York Years“ dokumentiert die Frühzeit der Liebe zwischen Marilyn und Arthur Miller. Sam Shaw, Freund und Vertrauter Marilyns und so etwas wie ihr Hoffotograf, war als stiller Zeuge dabei, hält die Kamera einfach darauf, inszeniert nicht viel. Er zeigt etwas Ungewöhnliches: eine glückliche Marilyn. Eine verliebte Marilyn – und, vielleicht noch überraschender, auch einen verliebten Miller. Dem Dramatiker, sonst eher zurückhaltend, ist der Stolz auf seine schöne Freundin deutlich anzumerken. Und noch etwas anderes, Ehrfurcht, Vorsicht, als habe er etwas ganz Kostbares in Händen.

Dass diese Bilder jetzt, 42 Jahre nach dem Tod Marilyn Monroes, plötzlich auftauchen, ist eine Sensation. Umso mehr, als es ein kleiner Berliner Verlag ist, der das Rennen machte. Inzwischen laufen in den USA die Großverlage und Agenten Sturm, berichtet Thomas Lardon, der sich die Marilyn-Bilder gesichert hat. Der Verleger, der vor zwei Jahren mit einem Bildband unbekannter Romy-Schneider-Fotos Furore machte, wusste, was er wollte, als er erfuhr, dass im Archiv des 1999 verstorbenen Hollywood-Fotografen Sam Shaw noch rund 7000 Bilder lagern. Er kontaktierte dessen Sohn Larry Shaw, schickte den Romy-Schneider-Band zur Ansicht und präsentierte einen genauen Plan: Larson wollte Marilyn-Bilder. Und zwar solche, die den Star nicht als Opfer zeigen. Opfer der Medienwelt. Opfer der Männerwelt. Oder Opfer seiner selbst. Er wollte eine andere Marilyn. Eine glückliche. Larry Shaw war sofort überzeugt.

Glücklich, so Lardon, sei Marilyn wohl am ehesten in jenen Jahren in New York gewesen. Die Liebe zu Arthur Miller sei eine „große Liebe“ gewesen, von beiden Seiten. Joyce Carol Oates’ Roman „Blond“, der das Leben der Monroe als eine einzige Folge von Verletzungen beschreibt, habe ihn darin bestärkt. Nicht jene letzten Bilder eines verzweifelten Stars, wie Bert Stern sie kurz vor ihrem Tod geschossen hatte, sollten es sein, nicht jene obsessive, selbstzerstörerische Beschäftigung mit dem eigenen Bild, sondern eine gelöste, entspannte Marilyn,

Die Anlässe sind denkbar privat. Marilyn, wie sie in einem Warenhaus einen Schlips für Arthur Miller auswählt und sich, lachend, eine viel zu große Herrenshorts vorhält. Marilyn, die gemeinsam mit Arthur Miller eine Bratwurst auf der Straße isst. Die beiden, Hand in Hand, in den Straßen von New York. Marilyn, die im sommerlichen Central Park auf dem Teich rudert. Die ausgelassen am Strand herumspringt und sich die nassen Haare auswringt. Die beim Telefonieren in ihrem Apartment gedankenverloren mit einer Haarsträhne spielt. Und die, bei einem Footballspiel, beherzt mitkickt.

Mitmachen, dabeisein, dazugehören: Miller hat in seinen Erinnerungen von Marilyns Traum erzählt, auf dem Land zu leben, in einem eigenen Haus. Man fühlt sich an Marlene Dietrich erinnert, deren größtes Glück es war, für Freunde zu kochen: die Sehnsucht des Stars nach dem normalen Leben. Eine Sehnsucht, für die Marilyn mehr Grund hatte als andere. Weil sich – auch das belegen die Fotos – überall, wo sie auftauchte, sofort eine Menschentraube um sie sammelte. Wie sehr Marilyn diese Belagerung einerseits genoss, andererseits fürchtete, beschreibt Miller auch. Wie sie sich, verkleidet mit Sonnenbrille und Kopftuch, durch den Hinterausgang hinausstahl, und, egal wie es ihr ging, dennoch jederzeit in der Lage war, der Kamera zuliebe umzuschalten: „Da stand sie, ernst, weil es um eine ernste Sache ging; aber wenn man sie erkannte, musste sie lachen und die glückliche, sorglose Blondine spielen.“ Hinter dieses Paradox können, Liebesglück hin oder her, auch Shaws Fotos einer „glücklichen Zeit“ nicht zurück.

Der Bildband „Marilyn – The New York Years“ erscheint am 29. Januar im Berliner Lardon-Verlag (29,90 Euro). Gleichzeitig wird eine Auswahl der Fotos auch im Berliner Café Einstein Unter den Linden gezeigt.

Christina Tilmann

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