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Kultur: Einschiffung nach New York

Letzte Versuche: Kirchners „Straßenszene“ aus dem Brücke-Museum ist für Berlin kaum noch zu retten

Während das Auktionshaus Christie’s bereits frohlockt und als Schätzpreis 18 bis 25 Millionen Dollar (umgerechnet 14 bis 19,5 Millionen Euro) für die Versteigerung von Kirchners „Straßenszene“ am 8. November angibt, laufen in Berlin die letzten Versuche, das im Juli an die Erben der ehemaligen Besitzer restituierte Gemälde noch für das Brücke-Museum zu retten. Doch diese Initiativen kommen wohl zu spät, wie aus einem Briefwechsel zwischen der Senatsverwaltung für Kultur und dem Chef des Berliner Auktionshauses Villa Grisebach, Bernd Schultz, beziehungsweise dem Leiter des Kirchner-Archives ,Wolfgang Henze, hervorgeht.

Die von Schultz und Henze erhobenen Vorwürfe, dass hier ein Hauptwerk des Expressionismus „mit Leichtfertigkeit“ und einer „vorwiegend moralisierenden Argumentation“ den Nachfahren der einstigen Besitzer und mithin dem Markt überlassen werde, pariert der Vertreter der Kulturverwaltung mit dem Verweis, dass die Rückgabe in Anwendung der „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ geschehen sei. Beide Kritiker der Restitutionsentscheidung bezweifeln, dass der Gemäldeverkauf von den Nazis erzwungen worden sei; der Konkurs des Familienunternehmens infolge der Weltwirtschaftskrise habe ihn vielmehr notwendig gemacht. Außerdem wäre nicht nachweisbar, ob die geforderte Summe von 3000 Reichsmark je geflossen sei. Im Schreiben der Kulturverwaltung heißt es dazu, die damalige Zahlung einer materiellen Wiedergutmachung sei für die Restitution letztlich belanglos gewesen, da man im Rahmen der Washingtoner Leitlinien eine „gerechte und faire Lösung“ angestrebt habe.

Mit Verbitterung weist der Berliner Kunstexperte Schultz darauf hin, dass viel zu spät der mögliche Verlust des Gemäldes der Öffentlichkeit, insbesondere den Freunden des Brücke-Museums, mitgeteilt worden sei – zu spät für eine Rettungsaktion mit Hilfe der Bevölkerung, wie sie 1983 beim Watteau-Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ gelungen war, für das die Hohenzollern 15 Millionen Mark gefordert hatten. Damals brachten private Spender, der Senat von Berlin und die Bundesrepublik zu jeweils einem Drittel die nötigen Mittel auf. Lakonisch verweist das Antwortschreiben aus dem Senat darauf, dass die damalige Summe heute in keinem Verhältnis stehe zu dem Geld, das nun für einen Verbleib des Gemäldes nötig wäre.

Wie Hohn mag für die enttäuschten Kämpfer da die stolze Ankündigung von Christie’s New York klingen: „Es ist das mit Abstand bedeutendste Werk des deutschen Expressionismus, das im Rahmen einer Auktion der letzten 30 Jahre angeboten wird.“

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