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Kultur: Einstweilige Verfügung: Eva-Maria Hagens neues Buch und der Ärger mit ihrer Tochter

Der Schatten der Einstweiligen Verfügung hatte sich dem Stand des Econ Verlages am Mittwochmorgen schon so weit genähert, dass zumindest der Lektorin von Eva-Maria Hagens zweitem Buch Böses schwante. Sie aber zog es vor zu schweigen.

Von Gregor Dotzauer

Der Schatten der Einstweiligen Verfügung hatte sich dem Stand des Econ Verlages am Mittwochmorgen schon so weit genähert, dass zumindest der Lektorin von Eva-Maria Hagens zweitem Buch Böses schwante. Sie aber zog es vor zu schweigen. Noch lagen die Exemplare von "Evas schöne neue Welt" im strahlendsten Halogen in den Regalen, und die Verlagsmitarbeiter waren überzeugt, auf der Leipziger Buchmesse mit ihrem Spitzentitel den gleichen Erfolg zu erzielen wie mit Hagens Debüt "Eva und der Wolf" vor zwei Jahren. Am Donnerstag war damit Schluss. Eva-Maria Hagens Tochter Nina erwirkte über ihre Anwälte einen Auslieferungsstopp gegen den Verlag. Die Bücher mit einer lachenden, jungen, wunderschönen Eva-Maria auf dem Titel wurden abgeräumt.

Seitdem trägt die Autorin eine wenig vornehme Blässe im Gesicht, und der Verlag ist Nina Hagen gram. Einerseits. Andererseits ist es natürlich ein Coup, soviel ungeplante Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen, zumal 6000 Bände des zum Start mit 10 000 Exemplaren aufgelegten Titels bereits im Handel sind und weiter verkauft werden dürfen. Kein Interviewtermin ist abgesagt, keine Lesung, obwohl die Leute sich ängstlich erkundigen, ob die angekündigten Veranstaltungen, bei denen Eva-Maria Hagen nicht nur liest, sondern auch ihre Lieder singt, tatsächlich stattfinden. Wer das Glück hatte, rechtzeitig ein Buch zu ergattern, kann es sich sogar signieren lassen. Der Streit wird also in einer nicht zu verachtenden Öffentlichkeit ausgetragen. Ach ja, sagt Eva-Maria Hagen, jetzt macht die Mutter die Schlagzeilen und nicht die Tochter.

Rechtlich gesehen, stößt sich Nina Hagen an einigen, ihr zu privat erscheinenden Briefen und Fotos, die Eva-Maria Hagen in ihrer mehr als offenen 500-Seiten-Collage aus Tagebuchnotizen, Briefen und Erinnerungsbildern über ihre Zeit nach der Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft 1977 verwendet. Nachdem Eva-Maria Hagen gegen die Ausbürgerung ihres Lebensgefährten Wolf Biermann protestiert hatte, blieb ihr gar keine andere Wahl, als in den Westen zu gehen, von dem sie bis heute behauptet, man verstehe dort die Sprache, sonst nichts. Aber worum geht es im Tieferen? Geht es um Rivalitäten, um Macht? Nein, nicht um Macht, sagt Eva-Maria Hagen. Geht es womöglich um Geld? Wenn es darum gegangen wäre, hätte ich ihr alles gegeben. Wenn Nina sagt, sie sei verletzt, dann ist sie verletzt. Und wie Eva-Maria so dasitzt, mit einer steinernen Trauer im Blick, merkt man ihr die Hilflosigkeit an, den Schritt ihrer Tochter nachzuvollziehen. Hat sie ihr nicht immer angeboten, das Manuskript zu lesen? Hat sie ihr nicht gleich nach Erscheinen des Buches am 6. März zwei Exemplare zugesandt? Und sie überlegt, ob es nicht das Beste wäre, das Buch zurückzuziehen, wenn sie sich jetzt nicht außergerichtlich einigen kann. Ein Prozess gegen die eigene Tochter? Unmöglich.

Diese Künstlerfamilien, sagen manche. Und besonders diese: Der Biermann, der jedem Rock hinterher rennen muss. Die Affären, mit denen Eva-Maria sich gerächt hat. Und dann Nina, ein ganz eigenes Kapitel. Und wie es um Ninas Tochter Cosma Shiva steht, die bei Eva-Maria aufgewachsen ist, werden wir auch noch sehen. Alles große Künstler und Schauspieler, vor allem Eva-Maria in ihren alten DEFA-Filmen und auf der Bühne nach wie vor. Da werden immer die Fetzen fliegen.

Ein Band zwischen Mutter und Tochter existiert noch. Auf Eva-Maria Hagens Homepage (www.eva-maria-hagen.de) gibt es nach wie vor einen Link zu Nina (www.nina-hagen.com). Das habe ich ja noch gar nicht gesehen, sagt sie. Ich selbst habe nämlich keinen Internet-Zugang. Das haben Freunde für mich gemacht. Und sie steht auf, entschlossen, mit ihrem Buch in den Familienkampf zu ziehen, und entschlossen, den Rückzug anzutreten. Dann wendet sie sich noch einmal um und meint: Nina ist jetzt in einer neuen Phase. Sie hat eigentlich alles hinter sich gelassen, wovon ich in meinem Buch erzähle. Ich dachte nicht, dass es sie noch trifft. Und wirft sich ihr Halstuch über den Kopf, eine mit Tüll verschleierte Frau, die sich fünf Sekunden lang vor der Welt versteckt.

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