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Atemberaubend. Karin Dor in "Man lebt nur zweimal".

© mauritius images

Einziges deutsches Bond-Girl: Karin Dor: Die Andere

Sie war ein Star des deutschen Edgar-Wallace-Kinos - und drehte mit Hitchcock. Jetzt ist die Schauspielerin Karin Dor mit 79 Jahren gestorben.

Vom Mythos zum Pop ist es manchmal nur ein kurzer Sprung. Oder ein Mittelstreckenflug. Karin Dor hatte gerade als Brunhild für den zweiteiligen Mittelalterschinken „Die Nibelungen“ im Berliner CCC-Studio vor der Kamera gestanden, als sie eine zweiwöchige Drehpause für einen Kurzurlaub auf den Bahamas nutzen wollte. Stattdessen flog ihre Agentin 1966 mit ihr zu einem Casting nach London. Am Flughafen kaufte sie sich hochhackige Schuhe, weil eine 1,75 Meter große, blonde, blauäugige Schauspielerin gesucht wurde. Dor fehlten zehn Zentimeter, ihre Haare waren dunkel und die Augen braun.

James Bond kannte sie nicht

Die Rolle als bislang einziges deutsches Bond-Girl bekam sie trotzdem, auch weil sie die Chuzpe besaß, dem Produzenten Albert R. Broccoli zu gestehen, dass sie keinen einzigen Bond-Film gesehen habe. Weil sie sich weigert, den von Sean Connery verkörperten Doppelnull-Agenten zu töten, wird sie in "Man lebt nur zweimal" vom Jahrhundertschurken Ernst Stavro Blofeld – „diese Organisation duldet kein Versagen“ – im Piranha-Becken entsorgt. Was in Erinnerung bleibt von dieser Heldin mit dem zackig-deutschen Namen Helga Brandt ist der Mut und ihr atemberaubendes, silbern-futuristisches Minikleid.
Karin Dor, 1938 als Kätherose Derr in Wiesbaden geboren, war einer der größten deutschen Kinostars der sechziger Jahre und fast ein Weltstar. Sie spielte in Alfred Hitchcocks Spionagethriller „Topas“ eine kubanische Agentin und eine Adlige im französischen Kostümdrama „Caroline Chérie“, trat in amerikanischen Fernsehserien wie „Ihr Auftritt, Al Mundy“ oder „Der Chef“ auf. Doch im deutschen Film, der vergeblich versuchte, mit Edgar-Wallace-, Dr.-Fu-Manchu- und Karl-May-Serien den Siegeszug des Fernsehens zu stoppen, wurde die brünette, auch exotisch anmutende Schauspielerin auf die Rolle des Opfers festgelegt, das sterben oder von Männern gerettet werden musste, gejagt vom „Würger von Schloss Blackmoor“, dem „unheimlichen Mönch“ oder den „unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse“.

Abschied vom süßen Mädel

Mit 16 hatte Karin Dor ihren ersten von drei Ehemännern geheiratet, den 30 Jahre älteren Regisseur Harald Reinl, mit dem sie „Winnetou“, „Die Nibelungen“ und ein knappes Dutzend andere Filme drehte. Lange fielen bei ihr Rollenbild und Privatleben in eins. „Ich habe mir immer ältere Männer gesucht, weil ich mich bei ihnen beschützt fühlte“, sagte sie 2010 in einem Interview. „Erst später habe ich mich aus dieser Süßes-Mädel-Rolle befreit.“ Nachdem sie jahrelang kaum noch vor der Kamera gestanden hatte, bekam die Schauspielerin in Margarethe von Trottas Dramen „Ich bin die Andere“ (2005) und „Die abhandene Welt“ (2015) noch zwei schöne Altersrollen. Am Montag ist Karin Dor in einem Münchner Pflegeheim gestorben. Sie wurde 79 Jahre alt.

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