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Kultur: Eiserne Ladies

Die Royal Academy in London weidet sich an Tamara de Lempicka

Seit 25 Jahren schmückt sich jede Übersichtsausstellung zur europäischen Malerei der Zwanzigerjahre mit ihren Bilder: Tamara de Lempicka, 1898 in Warschau geborener SocietyStar im Paris um 1930. In den Jahren vor ihrem Tod im selbst gewählten mexikanischen Exil 1980 erlebte sie die allmähliche, aber doch nachhaltige Renaissance ihrer lange als bloße Illustration abgetanen Kunst.

Zuletzt machten ihre Bilder in der gewaltigen Art-Déco-Ausstellung des Londoner Victoria & Albert Museum Furore. Da liegt es nahe, dass die durch den Zwang der Selbstfinanzierung auf publikumswirksame Ausstellungen angewiesene Royal Academy nachsetzt und nun eine mit 60 Arbeiten überschaubare Werkauswahl der polnischen Malerin zeigt, die zwar das Spätwerk diskret ausspart, jedoch in den Gesellschaftsportraits ihres Erfolgsjahrzehnts schwelgt. Der Untertitel „Art Deco Icon“ macht deutlich, dass die Malerin im selben Maße eine Ikone ihrer Zeit wie ihre Bilder war.

Kühle, klar konturierte Formen kennzeichnen ihr reifes Werk, das fast ausschließlich aus Bildnissen ebenso schöner wie fashionabler Menschen besteht und aus einer Reihe dezent frivoler Kompositionen wie der verzückt hingegossenen „Schönen Rafaela in Grün“ von 1927.

Wenn nicht verzückt, so sind ihre Personen zumindest maniriert: Sie drehen und strecken sich, bis die Malerin sie in diesen artifiziellen Posen einfriert, als schnurrten ihre Existenzen zu einer einzigen Art-Déco-Tischskulptur zusammen. Virtuos bedient sich Lempicka dem Repertoire der Kunst, schafft Berufsportraits wie das des zu Reichtum gekommenen Arztes Dr. Boucard von 1928, nutzt Herrschaftsattribute im Bildnis des russischen Großfürsten Gabriel (1926) oder feiert den amerikanischen Wolkenkratzer als Ausweis unbedingter Modernität im Bildnis der „Mrs. Allan Batt“ von 1930.

Sich selbst portraitiert sie in grünem Outfit am Steuer eines Sportwagens, ganz die „neue Frau“ – und damit unwillkürlich auf die Portraits der deutschen „Neuen Sachlichkeit“ verweisend, die sich im Unterschied zur Bildlieferantin der Pariser Gesellschaft nicht auf schicke Attribute beschränkte, sondern mit chirurgischer Präzision die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erfassen suchte.

Tamara de Lempicka muss von bemerkenswertem Ehrgeiz erfüllt gewesen sein. Zwei Ehen brachten sie bis zum ersehnten Adelsprädikat – und zu einem vom französischen Modearchitekten Robert Mallet-Stevens entworfenen Atelierhaus. Fotografien belegen, dass sie sich selbst in derselben Weise stilisierte wie ihre Bildnisse. Doch ihr Stern sank im gleichen Maße, da das luxuriöse Art Déco der Härte der Depressionsjahre weichen musste. Erst 1972 führte eine Pariser Galerieausstellung zur Neubewertung ihres Werkes, das wie wenige andere die besondere Atmosphäre seiner Entstehungszeit und -umstände eingefangen hat. Es ist das Gegenteil großer, universell gültiger Kunst, aber als Zeitdokument höchst apart.

London, Royal Academy of Arts, bis 13.August. Der Katalog kostet 15 Pfund.

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