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Kultur: Eiskalt überrascht

AUF EMPFANG Warum Ben Kingsley sich warm anziehen musste und Til Schweiger viel Geld zahlte

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Berlin hat die coolsten Locations, das ist auch ein Grund, warum es den Gästen von überall her so viel Spaß macht, hier zu feiern. Zum Beispiel im Kreuzberger Arctic Palace, wo der Eisenbahn-Thriller „Transsiberian“ nach der Premiere in der Nacht zu Sonntag mit reichlich Wodka begossen wurde. Um ins Herzstück des Clubs zu gelangen, muss man erst einen dicken Steppmantel mit Klettverschluss überstreifen. Dann geht es in eine Art Iglu ganz aus Eis, minus zehn Grad kalt. Das ist schon fast nicht mehr cool, das ist bitterkalt. Man kann sich auf Eisbänke setzen, an eine Eistheke lehnen, und den Wodka natürlich aus Eisgläsern trinken. Eigentlich der perfekte VIP-Bereich, denn Künstler sind oft geprägt durch einen Hang zum spielerisch Kindlichen. Sir Ben Kingsley, der Agent aus dem Film, und seine Ehefrau Daniela Barbosa De Carneiro zogen es aber vor, in einem der warmen Räume des weitläufigen Clubs Hof zu halten, wo es Rotkäppchen-Sekt und sibirische Fischhäppchen gab. Auch Filmkollege Thomas Kretschmann, Eduardo Noriega und Ex-Boxer Henry Maske testeten das Sibirien-Feeling im Kreuzberger Vorfrühling. Draußen drängten sich derweil sehnsüchtig Kreuzbergs junge Kreative und versuchten, eines der begehrten goldenen Bändchen zu erhaschen, um auf ihre Art auch noch mitzumachen beim Filmfest.

Die Berlinale hat ja, wie in jedem Jahr verschiedene Ebenen. Die echten Junkies, die mit viereckigen Augen bis zu sieben Filme pro Tag schaffen, haben in aller Regel keine Zeit für die Partys. Die Partygänger haben ganz oft keine Zeit für die Filme, weil sie tagsüber, jeder auf seine Weise, am Glamour mitweben. Bei der Mercedes Star Night im Borchardt erholten sich im Gedränge unter anderem Designerin Anna von Griesheim von den letzten Anproben der großen Premierenroben und Udo Walz, der vielen Stars die Haar fönt. „Bunte“-Chefin Patricia Riekel und Hermann Bühlbecker, Chef des Printen-Imperiums Lambertz, plauderten mit Veronica Ferres und Manfred Krug. Auch Sibel Kekilli und Nicolette Krebitz, Leander Hausmann, Jessica Schwarz, Matthias Schweighöfer und das Produzenten-Trio Bernd Eichinger, Regina Ziegler und Artur Brauner pflegten ihre Netzwerke. Der 89-jährige Brauner freute sich, dass die Welt jetzt wieder „Berlin von seiner besten Seite sieht“. Der italienische Botschafter Antonio Puri Purini interessiert sich naturgemäß vor allem für die italienischen Beiträge, während Moderatorin Tita von Hardenberg infiziert war von der Bollywood-Faszination. Einige Schauspieler müssen Dreharbeiten den Vorrang geben vor Kinobesuchen. TV-Schauspielerin Laura Schneider bekundete aber heftigen Ehrgeiz, wenigstens einen Film zu sehen. Manchen reicht das Star-Watching, sie erzählen, wie sie Robert De Niro drei Stunden lang beim Essen zugeschaut haben. Natürlich im Borchardt. Und natürlich während die berühmten Schnitzelchen als Miniportionen herumgereicht werden. Auch für die Raucher gab es hier ein warmes Plätzchen. Sie mussten zwar in den Keller, aber Getränke gab’s da auch.

Die beiden können es einfach nicht lassen: Ohne kleine Frotzeleien vergeht kein Treffen zwischen Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit und seinem Brandenburger Amtskollegen Matthias Platzeck. Auf dem Berlinale-Empfang des Medienboards Berlin-Brandenburg am Samstagabend im Ritz-Carlton verteilte Wowereit den ersten Seitenhieb Richtung Brandenburg. Die hätten sich schon schwer getan, das Tempo der Förderungserhöhung mitzutragen, sagte er vor rund 1300 Gästen, darunter unter anderem die Regisseure Wim Wenders, Volker Schlöndorff, Rosa von Praunheim, Andreas Dresen, Doris Dörrie und die Schauspieler Diane Kruger, Bruno Ganz, Heino Ferch, Andreas Diehl, Nadja Uhl und Hannelore Elsner. Platzeck wiederum konterte, dass im Filmstudio Babelsberg gearbeitet werde, während in Berlin – mal wieder – gefeiert werde. Aber das gehört eben auch dazu, zumal das Medienboard 2007 ein Rekordjahr hatte: 29,8 Millionen Euro Fördermittel wurden für 269 Filme vergeben. Und da passte es natürlich gut, dass Til Schweiger, der bei dem Empfang für seinen Kinohit „Keinohrhasen“ mit dem Ernst-Lubitsch-Preis ausgezeichnet wurde, just an dem Abend die Fördersumme von 1,1 Millionen Euro zurückzahlte. Den Preis überreichte Vorjahressieger Jürgen Vogel mit einer humorigen Anspielung auf den Austritt von Til Schweiger aus der Deutschen Filmakademie, die seinen Film nicht für den Deutschen Filmpreis nominiert hatte: Er hoffe, dass ihn dieser Preis ein wenig besänftige und er nicht auch noch aus der Berlinale austreten werde. So schlimm kam’s dann doch nicht. Im Gegenteil: Seit Sonntag ist Schweiger wieder drin, in der Akademie (s. Seite 27).

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