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Helena Bonham Carter (links) und Hilary Swank als Eleanor und Colette.

© Warner Bros.

„Eleanor & Colette“ im Kino: Eine flog aus dem Kuckucksnest

Eine wahre Geschichte aus den 80er Jahren: Helena Bonham Carter kämpft in „Eleanor & Colette“ für ihre Rechte als psychisch Kranke.

Irgendwie schafft sie es zu telefonieren, nachdem die Ärzte im St. Mary's sie wieder einmal in die Isolationskammer gesperrt haben. „Mein Name ist Eleanor Riese und ich will einen Anwalt“: Eleanor leidet unter paranoider Schizophrenie, in der Klinik in San Francisco bekommt sie die Nebenwirkungen falscher Medikation zu spüren. Eleanor geht vor Gericht und kämpft mit ihrer Anwältin Colette Hughes für die Rechte psychisch Kranker. Ihre Gegner: die mächtigen Ärzteverbände und Pharmakonzerne – eine wahre Geschichte aus den 80er Jahren.

Erst kürzlich, bei Gerd Kroskes Dokumentarfilm „Der SPK Komplex“ über die Antipsychiatrie in Deutschland, wurde einem wieder bewusst, wie bitter notwendig die Psychiatriereformen damals waren. In Bille Augusts Psychiatrie- und Gerichtsdrama „Eleanor & Colette“ werden Patienten fixiert und gegen ihren Willen mit Medikamenten vollgepumpt. Wobei man sich manchmal fragt, warum das Leiden derart stereotyp ästhetisiert werden muss, wenn etwa die nächtlichen Schmerzensschreie der von Krämpfen geschüttelten Kranken mit elegischen Streichklängen unterlegt sind.

Helena Bonham Carter ist Eleanor: impulsiv, fromm (sie bastelt Rosenkränze aus Perlen), schlau, kindlich und wahnsinnig stur. Ein Kunstfehler in ihrer Kindheit hatte Eleanors Hirn geschädigt; nach dem Sieg vor Gericht starb sie 1991 mit 41 Jahren an einer Niereninfektion. Hilary Swank spielt Colette: ehrgeizig, integer, leicht unterkühlt, immer wie aus dem Ei gepellt – und ebenfalls wahnsinnig stur, wegen ihrer indigenen Wurzeln, sagt sie. Gemeinsam mit einem Verfassungsrechtler (Jeffrey Tambor) zwingt sie die Gesundheitslobby in die Knie.

Man wünscht Eleanors Eigensinn einen eigensinnigeren Film

Die Anwältin und die Patientin, Kopf und Herz: das übliche Muster (Drehbuch: Marc Bruce Rosin). Da helfen sich zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die eine mit juristischem Knowhow, die andere mit jener Emotionalität, die Colette sich im Leben versagt. Die Frauen werden Freundinnen im Kampf für die Bürgerrechte psychisch Kranker. Allein in Kalifornien profitierten heute 150 000 Menschen davon. Seit Eleanor Riese steht all jenen, die keine Gefahr für sich und andere darstellen, ein Mitspracherecht bei der eigenen Therapie zu. Der Film setzt den Pionierinnen ein Denkmal.

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Damit steht er in der Tradition von David-gegen-Goliath-Erzählungen wie Jonathan Demmes „Philadelphia“ oder „Erin Brockovich“. Auch Eleanor Riese hat die Aufmerksamkeit eines größeren Publikums verdient. Aber man wünschte ihrem Eigensinn einen eigensinnigeren Film als diese deutsch-belgische Produktion, die weitgehend in Kölner Studios entstand. Bille August liefert routinierte Bilder, die schnell wieder vergessen sind.

Wie zermürbend das jahrzehntelange Verfahren gewesen sein muss, davon vermittelt „Eleanor & Colette“ keine Vorstellung. Auch nicht von den Schmerzen, die Eleanor Riese unentwegt begleitet haben: Schon Treppensteigen war für sie eine Tortur. Zwar spielt der Originaltitel "55 Steps" (die Stufen hinauf zum Gerichtssaal) darauf an , aber der Film verharmlost ihre Phobie zur Marotte. Respekt sieht anders aus.

In 8 Berliner Kinos; OmU: Delphi Lux, Kulturbrauerei, Rollberg

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