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Die britische Band Electric Wizard.

© CTM

Electric Wizard in Berlin: Luzifer, hör mich rufen!

Doom-Metal-Delirium: Electric Wizard lassen auf dem Festival Club Transmediale ihre Lärmwalze durch das Astra Kulturhaus rollen.

Jawohl, es gibt sie wirklich, diese grimmigen, mit Satanskreuzen behängten Unholde und Jungfrauenschänder, die sich in sündig verderbter Lust suhlen und mit der grausamen Verschlagenheit eines gefallenen Engels unsere Sinne vernebeln, bis mittelalterliche Folterbilder Gestalt annehmen. All die Jahre christlicher Erziehung umsonst, nur weil diese zugedröhnten, langhaarigen Krachmacher aus der englischen Provinz eine Vorliebe für das Übersinnliche und Dämonische haben.

Electric Wizard heißt die Band aus dem britischen Dorset, die so was wie die Retterin aller satanisch-bösen Metalklischees ist, die bestehen, seit Black Sabbath die Ursuppe des Doom-Metals angerührt haben. Seit gut zwanzig Jahren kriechen die elektrischen Zaubermeister mit tonnenschweren Tommi-Iommi-Gedächtnis-Riffs und jeder Menge pickliger Gemeinheiten unter den fettigen Schmierhaaren durch die zerklüftete Unterwelt der Rockmusik. Beim Festival Club Transmediale sind Electric Wizard im Astra gelandet, um ihr aktuelles Album „Time To Die“ vorzustellen, das sich wieder ganz auf die Effektivität von quälwimmrig runtergestimmten Lavastromgitarren und doomiger Düsternis konzentriert.

Electric Wizard inszenieren einen unvergesslichen Horror-Erotica-Abend

Die dünne Luft erzittert wie von dunklen Schwingen, als die Band auf die Bühne steigt, um einen dumpf wallenden Lärm zu entfesseln, der grummelnde Riffwalzen mit polternden Felsengewitterdrums und der atmosphärischen Schlotterdichte einschlägiger Horrorfilme verstrickt. Ein Donnergrollen, das von der Band selbst als Höllengeläut bezeichnet wird und schon für eine Gänsehaut sorgen könnte, wenn die Grenze zur Lächerlichkeit nicht einige Male mehr oder weniger freiwillig überschritten würde.

Anführer Justin Oborn, der das Eiserne Kreuz auf seiner Kutte trägt, kaut an Texten, die den Untergang beschwören und den berüchtigten Okkultisten Aleister Crowley zitieren, wenn er mit hallverschleierter Gurgelstimme über Tod und Teufel meditiert: „Hear me Lucifer! Take me higher!“ Daneben schiebt sich Gattin Liz Buckingham in den Blickpunkt, wenn sie mit dem Auserwählten im teuflischen Wechselspiel knurrige Gitarrenduette spielt und mit minimalen Bewegungen ihre langen blonden Trauerweidenhaare in einen wehenden Vorhang verwandelt. Dabei sieht sie aus, als sei sie einem dieser obskuren Hexen-Titten-Blut-und-Satan-Filme entstiegen, die im Hintergrund über eine Leinwand flimmern und aus Oborns sagenhafter VHS-Kassetten-Sammlung stammen müssen. Schmuddel-Trash, den sich vernunftbegabte Wesen keine fünf Minuten anschauen würden, Kenner der Materie aber genauso zu schätzen wissen wie ein zähes, Fuzz-beladenes Monsterriff, das sich bleischwer aus einer geil brodelnden Brühe erhebt, während die riesigen Becken des Schlagzeugers wie Peitschenhiebe knallen.

Knapp achtzig Minuten dauert das ultimative Doom-Delirium mit Stücken, die so großartige Titel tragen wie „Weihrauch der Verdammten“ oder „Funeralopolis“. Ein unvergesslicher Horror-Erotica-Abend in einer hochprozentigen Marihuana-Wolke, der nicht nur für ein nachhaltiges Glühen in den Augen gestandener Sabbath-Hörer sorgt, sondern auch für mitreißende Diskussionen über alte Gitarrenröhrenverstärker. Mit einem bemerkenswert freundlichen Publikum, das sich in diesem Vorhof der Hölle gut auskennt und zum Teil sehr schöne T-Shirts trägt, mit schleimigen Totenschädeln oder gedärmfressenden Kreaturen. Die Zukunft soll schwarz sein? Ach was!

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