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Kultur: Elementar

Rudolf Buchbinder im Kammermusiksaal.

Der fünfte Abend von Rudolf Buchbinders Beethoven-Zyklus fällt deutlich in zwei Teile. Erst die Pflicht, dann die Kür. Bei Opus 2/2, 14/1 und 28 muss man im Kammermusiksaal immer wieder an Sigmar Polkes Maler-Bonmot denken. Höhere Mächte befahlen: Alle 32 Sonaten spielen! So analytisch, ja abstrakt, wie der Pianist die Werke aus der frühen Schaffensphase angeht, erinnert sein Vortrag eher an eine Vorlesung. Der Herr Privatdozent hat einen einschüchternden Überblick über die Materie, viel lässt sich hier lernen über die Strukturmodelle des klassischen Wiener Tonsatzes, über motivisch-thematische Arbeit. Gleichzeitig will Buchbinder seinen Interpretenauftrag so gewissenhaft wie möglich erfüllen, drängt vorwärts, gönnt sich und seinen Zuhörern kaum Momente des gedanklichen Innehaltens.

Nach der Pause erscheint er wie ausgewechselt: Jetzt stehen zwei Sonaten der mittleren Periode an, Werke, die er hörbar aus tiefstem Herzen liebt – und an denen er seine These vom Romantiker Beethoven bestens belegen kann. Meisterlich, wie er den Kopfsatz von Opus 90 erzählerisch gestaltet, ohne jede Effekthascherei, allein aus innerer Bewegtheit. Berührend, wie er im zweiten Satz zum selbstvergessenen Sänger auf den Tasten wird. Als Höhepunkt dann die „Appassionata“: Elementare Kräfte entladen sich im Allegro assai, virtuos durchschreitet Buchbinder Himmel, Erde und Hölle. Beeindruckend autonom geführte Stimmen treten im Andante miteinander in Dialog, das Finale ist durchglüht von geradezu juvenilem Feuer. Ovationen.Frederik Hanssen

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