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Glücklich über ihr Publikum. Elena Bashkirova gründete vor acht Jahren das Kammermusikfestival „intonations“.

©  Nikolaj Lund

Elena Bashkirova zum Kammermusikfestival „intonations“: „In Berlin ist ein internationales Publikum entstanden“

„intonations“-Leiterin Elena Bashkirova über die Faszination Kammermusik – und warum sie wieder häufiger Soloabende gibt.

Frau Bashkirova, ich erinnere mich gut: Sie sagten, dass Sie die Kammermusik so lieben, weil Sie die Einsamkeit des Solistendaseins hassen. Unterwegs, auf dem Podium, im Hotel. Jetzt plötzlich geben Sie wieder Solorecitals. Was ist passiert?

Stimmt, es hat sich etwas verändert. Ich erlebe gerade eine neue Welle von Klavierabenden. Neuerdings ist es nämlich so, dass ich sehr gern allein bin, und die Einsamkeit ab und zu sogar brauche. Vielleicht bin ich einfach nur älter geworden. Jedenfalls hat sich das Alleinsein für mich verwandelt in eine Qualitätszeit.

Haben Sie weniger Lampenfieber?

O nein! Das ist leider geblieben!

Und Kammermusik machen Sie weiterhin…

Ja, natürlich. Kammermusik ist fantastisch, die Grundlage von allem! Nur: Wenn man auf Konzertreisen oder einem Festival spielt und den ganzen Tag zusammen ist, im Zug oder im Flieger sitzt, frühstückt, probt, auftritt, dann ist es wichtig, dass man nicht nur mit richtig guten Kollegen spielt, sondern auch mit wirklich guten Freunden.

Kann man überhaupt Kammermusik spielen mit Kollegen, die man nicht mag?

Nein, eigentlich nicht. Das muss aber auch nicht sein. Ich selbst habe in so vielen Jahren, die ich jetzt schon gemeinsam mit anderen musiziere, kaum je Enttäuschungen erlebt.

Ihr erstes Kammermusikfestival haben Sie vor 21 Jahren in Jerusalem gegründet. Der Ableger in Berlin, „intonations“, ist jetzt acht Jahre alt und eine Erfolgsstory.

Toll, ja! Ich danke dem Publikum dafür! Für seine Neugierde, für die Offenheit! Inzwischen bin ich überzeugt davon, dass Menschen nicht zufällig in ein Kammermusikkonzert gehen. Sie kommen nicht, um sich zu zerstreuen. Sie kommen, um ein bestimmtes Quartett wieder zu hören, dieses Trio, jene Lieder, und hören dabei aktiv zu. Es sind immer Menschen, die diese ganz speziellen Musikformen kennen und lieben. Das ist überall auf der Welt so, bei allen Kammermusikabenden.

Würden Sie sagen, dass es in Berlin ein neues Interesse an Kammermusik gibt? Auch der Boulez Saal ist ja offenbar sofort zur Erfolgsstory geworden. Gibt es da Konkurrenz?

Im Gegenteil. Die Kammermusikszene hat sich in Berlin eher entwickelt wie im Schneeballsystem. Hier ist in den vergangenen Jahren ein urbanes, internationales Publikum entstanden, viele Neuberliner sprechen viele Sprachen, viele Künstler sind hergezogen. Ich denke, der Boulez Saal kam da genau im richtigen Augenblick. Wir bei „intonations“ sind nochmal etwas anderes. Wir feiern ein Festival. Das Jüdische Museum Berlin hat eine besondere, leichte Atmosphäre. Bei uns kann man für kurze Zeit eine Handvoll Spitzenmusiker erleben, wie sie in verschiedenen Besetzungen und Formationen verschiedene Stücke spielen. Auch seltene Sachen. Das ist nicht kompliziert, aber komplex.

Sie haben kein Motto in diesem Jahr. Warum?

Motti sind out. Irgendwann wird jeder zum Sklaven seines Mottos. Aber jedes einzelne Konzert bei „intonations“ hat natürlich einen kleinen Nagel, an dem das Programm aufgehängt ist. So habe ich etwa um Schuberts Forellenquintett ein paar Wasser-Lieder gesellt. Heine passt gut zu Schubert, Eisler ebenso. Es regnet also auch im ersten Konzert, es gibt Wassermusik, mit und ohne Fisch (lacht).

Muss das Publikum raten, worum es geht?

Nein. Dazu steht dann schon etwas im Programmbuch. Das zweite Konzert hängt an einem Walzer, im vierten gibt es Gute-Nacht-Musiken, im fünften habe ich das Programm hauptsächlich um diese fantastischen Solisten herum gebaut. Lauter Helden! Karl-Heinz Steffens kommt wieder mit seiner Klarinette, außerdem Klaus Thunemann, der Fagottpapst. Allein das ist ja schon ein Fest. Und Nabil Shehata spielt Kontrabass. Es gibt Beethoven und natürlich Mozart…

… das Klarinettenquintett KV 581, das alte Götterstück. Nennen Sie das Programm doch „Götter und Helden“, wie in der Antike!

Und was ist mit den jungen Leuten? Der jüngste Solist in diesem Konzert, der Hornist Ben Goldscheider, ist gerade erst 20. Es gibt auch zeitgenössische Musik, von Vladimir Tarnopolski, Aribert Reimann, Luigi Dallapiccola.

Und Sie selbst werden Lieder begleiten. Sie haben schon mit den unterschiedlichsten Sängern gearbeitet. Zwischen Robert Holl und Roman Trekel liegen Welten, zwischen Dorothea Röschmann und Anna Netrebko erst recht. Wie stellen Sie sich darauf ein?

Ja, das stimmt! Aber Sänger sind letztlich auch nur Musiker. Auch in einem Liedduo mache ich Kammermusik pur. Gesangs- und Klavierpart greifen eng ineinander, man tauscht Gedanken aus, taucht ein in den Dialog. Ich habe zum Beispiel unendlich davon profitiert, mit Anna Netrebko zu arbeiten. Sie ist eine Perfektionistin. Und man kann als Instrumentalist von jedem Sänger nur lernen: Wie man eine musikalische Phrase atmet, wie man Gesten haptisch gestaltet. Auch als Pianistin denke ich beim Musizieren in Situationen und Charakteren. Vielleicht ist das russische Programm, das ich damals mit Anna gemacht habe, Tschaikowskilieder und Lieder von Rimski-Korsakow, überhaupt der Auslöser gewesen, dass ich wieder Lust bekam, solistisch aufzutreten. Ich möchte Geschichten in Musik erzählen. Es sind abstrakte, aber auch konkrete Gedanken. Wenn ich spüre, dass davon etwas ankommt, ist es das größte Glück.

Das Interview führte Eleonore Büning.

Tickets und Programm

Jüdisches Museum Berlin, Altbau EG, Museumskasse, Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

Preise:

Kategorie A: 29 Euro (erm. 25 Euro)

Kategorie B: 25 Euro (erm. 21 Euro)

Kategorie C: 16 Euro (erm. 12 Euro)

Tickets online unter: jmberlin.de/intonations oder Telefon: (030) 25993488 (täglich 10–16 Uhr).

Während des Festivals erhalten Besucher gegen Vorlage ihres „intonations“-Tickets 25 Prozent Ermäßigung auf den Eintritt in die Ausstellung „Welcome to Jerusalem“.

SAMSTAG, 6. APRIL, 18 Uhr

Franz Schubert: „Auf dem Strom“ D 943
Roman Trekel (Bariton), Ben Goldscheider (Horn), Elena Bashkirova (Klavier)
Hanns Eisler: Vierzehn Arten, den Regen zu beschreiben op.70

Anton Barakhovsky (Violine), Madeleine Carruzzo (Viola), Tim Park (Violoncello), Matthieu Gauci-Ancelin (Flöte), Markus Krusche (Klarinette), Nathalia Milstein (Klavier), Nabil Shehata (Dirigent)

Franz Schubert: 6 Lieder aus „Schwanengesang“ D 957 nach Gedichten von Heinrich Heine

Roman Trekel (Bariton), Elena Bashkirova (Klavier)

Franz Liszt: La lugubre gondola

Anton Barakhovsky (Violine), Elena Bashkirova (Klavier)

Franz Schubert: Klavierquintett A-Dur D 667 „Forellenquintett“

Mihaela Martin (Violine), Hartmut Rohde (Viola), Frans Helmerson (Violoncello), Nabil Shehata (Kontrabass), Elena Bashkirova (Klavier)

SONNTAG, 7. APRIL 2019, 11.30 Uhr

Johann Strauß (Sohn): Kaiserwalzer, op. 437 (arrangiert für Salon-Ensemble von Arnold Schönberg)

Mihaela Martin (Violine), Mohamed Hiber (Violine), Madeleine Carruzzo (Viola), Frans Helmerson (Violoncello), Matthieu Gauci-Ancelin (Flöte), Markus Krusche (Klarinette), Elena Bashkirova (Klavier)

Johannes Brahms: Trio in Es-Dur für Klavier, Violine und Horn, op. 40

Clara-Jumi Kang (Violine), Ben Goldscheider (Horn), Nathalia Milstein (Klavier)

Robert Schumann: Liederkreis, op. 39

Roman Trekel (Bariton), Elena Bashkirova (Klavier)

Johannes Brahms: Klavierquartett Nr. 3 c-Moll, op. 60
Anton Barakhovsky (Violine), Adrien La Marca (Viola), Tim Park (Violoncello), Plamena Mangova (Klavier)

MONTAG, 8. APRIL 2019, 19.30 Uhr

Ernst von Dohnányi: Serenade für Streichtrio, op. 10

Clara-Jumi Kang (Violine), Madeleine Carruzzo (Viola), Jing Zhao (Violoncello)

Johannes Brahms: Zwei Gesänge für Gesang, Bratsche und Klavier, op. 91

Angela Denoke (Sopran), Hartmut Rohde (Viola), Nathalia Milstein (Klavier)

Erich Wolfgang Korngold: Klavierquintett E-Dur, op. 15

Mihaela Martin, Mohamed Hiber (Violine), Adrien La Marca (Viola), Jing Zhao (Violoncello), Plamena Mangova (Klavier)

„Tanz auf dem Vulkan“: Lieder und Chansons aus der Zeit der Weimarer Republik

Angela Denoke (Sopran), Tim Park (Violoncello), Norbert Nagel (Klarinette), Tal Balshai (Klavier)

DIENSTAG, 9. APRIL 2019, 19.30 Uhr

Luigi Dallapiccola: Piccola Musica Notturna – Pantomimischer Tanz nach einem Gedicht von Manuel Machado

Alexander Sitkowetski (Violine), Madeleine Carruzzo (Viola), Tim Park (Violoncello), Matthieu Gauci-Ancelin (Flöte), Tjadina Wake-Walker (Oboe), Miri Saadon (Klarinette), Maria Todtenhaupt (Harfe), Nabil Shehata (Celesta)

Arnold Schönberg: Verklärte Nacht (Fassung für Streichsextett)

Alexander Sitkowetski, Mohamed Hiber (Violine), Adrien La Marca, Madeleine Carruzzo (Viola), Frans Helmerson und Gabriel Schwabe (Violoncello)

Gustav Mahler: Lieder eines fahrenden Gesellen
Angela Denoke (Sopran), Hendrik Heilmann (Klavier)

Johann Sebastian Bach: Goldberg-Variationen BWV 988 (arrangiert für Streichtrio von Dmitri Sitkovetsky)
Kolja Blacher (Violine), Hartmut Rohde (Viola), Tim Park (Violoncello)

MITTWOCH, 10. APRIL 2019. 19.30 Uhr

Vladimir Tarnopolski: Eindruck – Ausdruck

Alexander Sitkowetski (Violine), Adrien La Marca (Viola), Tim Park (Violoncello), Matthieu Gauci-Ancelin (Flöte), Miri Saadon (Klarinette), Nathalia Milstein (Klavier), Nabil Shehata (Dirigent)

Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviertrio C-Dur KV 548

Kolja Blacher (Violine), Jing Zhao (Violoncello), Elena Bashkirova (Klavier)

Wolfgang Amadeus Mozart: Klarinettenquintett KV 581

Karl-Heinz Steffens (Klarinette), Michael Barenboim (Violine), Mohamed Hiber (Violine), Hartmut Rohde (Viola), Pablo Ferrández (Violoncello)

Ludwig van Beethoven: Septett in Es-Dur, op. 20
Alexander Sitkowetski (Violine), Adrien La Marca (Viola), Gabriel Schwabe (Violoncello), Karl-Heinz Steffens (Klarinette), Klaus Thunemann (Fagott), Ben Goldscheider (Horn), Nabil Shehata (Kontrabass)

DONNERSTAG, 11. APRIL 2019, 19.30 Uhr

Felix Mendelssohn Bartholdy: Klaviertrio Nr. 2 c-Moll, op. 66

Mohamed Hiber (Violine), Pablo Ferrández (Violoncello), Martin Helmchen (Klavier)

Felix Mendelssohn/Aribert Reimann: „...oder soll es Tod bedeuten?“

Acht Lieder und ein Fragment von Felix Mendelssohn Bartholdy nach Gedichten von Heinrich Heine für Sopran und Streichquartett bearbeitet und verbunden mit sechs Intermezzi von Aribert Reimann.

Anna Samuil (Sopran), Michael Barenboim, Mohamed Hiber (Violine), Hartmut Rohde (Viola), Jing Zhao (Violoncello)

Bernhard Crusell: Divertimento, op. 9

François Leleux (Oboe), Alexander Sitkowetski, Mohamed Hiber (Violine), Adrien La Marca (Viola), Gabriel Schwabe (Violoncello)

Robert Schumann: Drei Romanzen für Oboe und Klavier, op. 94
François Leleux (Oboe), Martin Helmchen (Klavier)

Felix Mendelssohn Bartholdy: Oktett in Es-Dur, op. 20

Michael Barenboim, Mohamed Hiber, Yamen Saadi, David Strongin (Violine), Adrien La Marca, Hartmut Rohde (Viola), Pablo Ferrández, Jing Zhao (Violoncello)

Stand: 20. Februar 2019. Änderungen vorbehalten.

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Eleonore Büning

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