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Elton John in der Waldbühne.

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Elton John in Berlin: Wucht und Wille: Elton John in der Waldbühne

Dienstleistungs-Pop: Elton John verschwindet bei seinem Berliner Konzert in der Waldbühne hinter einer Lärmwand. Die raren stillen Momente sind die Höhepunkten der zweieinhalbstündigen Greatest-Hits-Show.

Wenn es einen Musiker auf der Welt gibt, der die magische Pop-Formel kennt, dann ist es Elton John. Große Gefühle in simple Melodien zu kleiden, auch die kompliziertesten Arrangements immer in den Dienst des Ohrwurms zu stellen – das beherrscht kein anderer so gut wie er. Ein Beispiel dieser Kunst ist „Tiny Dancer“, seine Liebeserklärung an ein kalifornisches „Blue Jeans Baby“, die mit perlenden Pianoläufen und einer countryesk wehklagenden Bottleneck-Gitarre einsetzt und sich zu orchestralem Geigenpomp steigert. Doch bei Elton Johns Auftritt vor 12 000 Zuschauern in der Berliner Waldbühne wird der zerbrechliche Softrockklassiker vom überlaut donnernden Schlagzeug und dem tosenden Bass erdrückt.

Der Wille zur Wucht ist groß an diesem Abend, vom vierköpfigen Backgroundchor ist hinter der Lärmwand der fünfköpfigen Begleitband oft nur ein sanftes Säuseln zu vernehmen. Warum nur? Sind die Regler voll aufgedreht, um zu kompensieren, dass Elton John inzwischen 66 Jahre alt ist und seine rau gewordenen Stimme bei den hohen Lagen schwächelt, die Falsettkiekser in „Tiny Dancer“ nicht mehr trifft? So werden die raren stillen Momente zu Höhepunkten der zweieinhalbstündigen Show, etwa das traumverlorene Intro von „Rocket Man“, bei dem der Sänger ganz allein am Yamaha-Flügel die unendliche Einsamkeit des Weltalls beschwört, hinter ihm funkelt das Sternenmeer auf der Bühnenrückwand. Doch dann setzt die Band ein und schiebt alle Intimität beiseite.

Elton John, dessen paillettenbesetzter Zirkusdirektorenmantel an die überkandidelten Kostüme seiner Glamrockjahre erinnerte, versteht sich als Pop-Dienstleister. Nächste Woche erscheint „The Diving Board“, ein von Soul und Melancholie durchtränktes Album, seine beste Platte seit Jahrzehnten. Doch daraus spielt er nur einen Titel, die bittersüße Ballade „Oscar Wilde Gets Out“ über den wegen seiner Homosexualität zu einer Zuchthausstrafe verurteilten Schriftsteller. Stattdessen gibt der Sänger den Fans das, was Fans wollen: Hits, Hits, Hits, vom stotternd rock ’n’ rollenden Auftaktsong „Bennie and the Jets“ über die Selbstbehauptungshymne „I’m Still Standing“ bis zum unvermeidlichen Trauerschmalz von „Candle in the Wind“, bei dem die Feuerzeuge und Handydisplays aufflammen. Sogar der Innenraum ist bestuhlt, doch spätestens bei „Crocodile Rock“ erheben sich die Zuschauer zu Standing Ovations und antworten singend zum Refrain: „La-La-La-La-La“.

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