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Kultur: Elysische Landschaften

KUNST

Linien führen einen sanften Tanz auf. Verdichten sich zu aggressiven Schraffuren, in denen Landschaften, Stadtszenen, Gesichter vibrieren. Eines wollten die Werke Ernst Ludwig Kirchners und seiner „Brücke“-Mitstreiter immer sein: „unmittelbar und unverfälscht“. So lautet auch der Titel einer Ausstellung im Kunstfo rum der Berliner Volksbank mit Aquarellen, Zeichnungen und Druckgraphiken (Budapester Str. 35, Mi-Mo 11-17 Uhr, bis 2. Mai).

Das Berliner Brücke-Museum hat dazu herausragende Arbeiten der Jahre 1905 bis 1914 vom Stammhaus am Grunewaldrand ins Stadtzentrum reisen lassen, wohin vor allem Kirchners spitzwinklig-mondäne Straßenszenen eigentlich auch gehören. Erst nachdem die Gruppe von Dresden in die Hauptstadt übergesiedelt war, genauer: ab 1911, stieß Otto Mueller hinzu. Seinen sanften, in elysische Landschaften eingebetteten Mädchenakten fehlt allerdings der „Brücke“-typische Energiepuls, was das zentrale Anliegen der Künstlergemeinschaft deutlich macht – der Brückenschlag zwischen Kunst und Leben. Denn auch Mueller zeichnete, was er fühlte: die Sehnsucht nach dem Einfachen, Natürlichen. Davon zeugen auch Max Pechsteins Aquarelle von Palau-Indianern, die er in der Südsee schuf. Ausdrucksstarke Menschenfiguren prägen wiederum die Blätter von Emil Nolde, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff. Hinzu kommen die Farbholzschnitte von Fritz Bleyl, einem weniger bekannten Gründungsmitglied. Und verblüfft stellt man fest, wie prägend Bleyls Jugendstil-Neigung für diese Anfangsphase der „Brücke“ war – sein sanfter Linienschwung tanzt auch durch Kirchners frühe Zeichnungen.

Jens Hinrichsen

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