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Kultur: Ende einer Dienstmagd

Sex, Geld, Gift: Der koreanische Psychothriller „Das Hausmädchen“

Ach ja, das Dienstpersonal. Der obskure Seufzer der reichen Leute hat Librettisten und Dramatiker schon vor der Erfindung der Bourgeoisie inspiriert: „La serva padrona“, Pergolesis Vorrevolutionsoper „Die Magd als Herrin“, provozierte Saalschlachten, die als Buffonistenstreit in die Musikgeschichte eingingen. Auch Genets „Zofen“ machten Skandal. Und im Kino ist spätestens seit Chabrols „Biestern“ bekannt, wie gefährlich Dienstleute sein können. Vor allem dann, wenn die Herrschaften deren rebellisches Potenzial unterschätzen.

Krieg herrscht auch in „Das Hausmädchen“, einem Remake des gleichnamigen koreanischen Klassikers von 1960. Im schwarz-weißen Original vor 50 Jahren ging es um eine (durchaus sympathische) Mittelschichtfamilie, um die Versuchungen des Geldes und des Sex. Im Sang-soo, der Regisseur der neuen Version, die 2010 in Cannes uraufgeführt wurde, verlegt die Handlung in die durchgestylte Villa (durchaus unsympathischer) koreanischer Neureicher, mit reichlich europäischer Kultur als Accessoire der Dekadenz. Der Hausherr spielt schon vorm Frühstück Beethoven auf dem hochglanzlackierten Flügel, schlürft abends fachmännisch teuersten Rotwein und holt sich seine sexuelle Befriedigung bei der neuen Dienstmagd, weil es die hochschwangere Gattin im Bett gerade nicht bringt. Schon die kleine Tochter tritt herrisch auf, und die ältere Hausdame strahlt jene vornehme Melancholie aus, die frühere Verletzungen ahnen lässt.

Eun-yi heißt das neue Dienstmädchen (Jeon Do-youn, ein Star in Korea), das Leben ins steife Arrangement bringt. Eine hübsche junge Frau, sexy, unbekümmertes Gemüt, offener Blick. Ihr gefällt es, dass der distinguierte Macho von Hausherr nachts zu ihr kommt. Meister und Magd, ein erotisches Spiel. Bis die Ehefrau und deren Mutter dahinterkommen.

Sang-soos Psychothriller erschöpft sich nicht im Design luxuriöser Begierden und delikater Bösartigkeiten. War das Original von 1960 eine Moritat mit mörderischen Folgen, weil das Personal zurückschlägt und zum Rattengift greift (das Fläschchen im Schrank, Hitchcock ließ grüßen!), so ist das Remake noch unbarmherziger. Kaum ist Eun-yi schwanger, wird sie mit einer Skrupellosigkeit abserviert, die sich ihre Vorgängerin vor 50 Jahren nicht hätte albträumen lassen. Argwohn, Psychoterror, offene Gewalt: Gnadenloser als die Mittelschicht verteidigt die Upperclass den eigenen Clan. Als Gegenwaffe bleibt Eun-yi nur der eigene Tod; auch er ist als erlesene Grausamkeit in Szene gesetzt.

Ende einer Dienstmagd: Sang-soos soziale Anklage spielt geschickt mit den Motiven des Originals. Dort verführt der Ehemann das Hausmädchen, hier ist sie die Verführte – und fällt einer Verschwörung der Frauen zum Opfer (das weibliche Geschlecht ist heutzutage wehrloser und böser, so viel zum Thema Emanzipation). Die Giftnummer, Kinderreichtum als Statussymbol und als Hausdame Youn Yuh-jung, die aus anderen Filmen Kim Ki-youngs bekannt ist, dem Regisseur der Erstfassung – all das wird das koreanische Publikum goutieren.

Aber auch der hiesige Zuschauer kommt auf seine Kosten, wegen der Kälte und Raffinesse der Inszenierung. Jede Einstellung eine Intrige. Wie politisch der Regisseur seine Studie des Geldadels und der sozialen Gräben in der heutigen koreanischen Gesellschaft meint, macht schon der Vorspann deutlich. Eine Straßenszene voller Menschen, Garküchen, Kneipen, Musik, Gelächter. Ein Mädchen springt vom Balkon, die Umrisse der Leiche auf dem Asphalt, eine Blutlache – die Party geht ungerührt weiter.

Broadway, Filmtheater am Friedrichshain, Hackesche Höfe (OmU), Yorck

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