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Kultur: Endlich Frühling?: Projekt 18 Grad

Am Dienstag haben uns Sonnenstrahlen geweckt. Es war warm.

Von Andreas Oswald

Am Dienstag haben uns Sonnenstrahlen geweckt. Es war warm. Und viele hatten eine Hoffnung - dass endlich der Frühling beginnt. Er beginnt. Und das ganz typisch: Sonne, Wolken und Schauer werden sich häufig abwechseln, so wie das im April auch üblich ist.

In den letzten vier Wochen war das Wetter ganz untypisch beständig, und zwar beständig trübe. Diese Frage beschäftigt derzeit sogar jene Klimaforscher, die die langfristige Klimaerwärmung mit ihren Folgen für die Umwelt untersuchen. Zur Beunruhigung gab es einige Anzeichen. An Ostern fiel Schnee, nicht nur in den Alpen, sondern in weiten Teilen Deutschlands und in Norditalien. Die Temperaturen liegen bislang im April fast zwei Grad unter normal, das ist eine markante Abweichung. Im April schien die Sonne bis einschließlich Montag in Berlin 73,1 Stunden. Das sind nur 43 Prozent von dem, was normal ist - 158 Stunden. Markant sind die Abweichungen auch beim Regen. Hier wurden nur 43 Prozent des Normalwerts erreicht. Die Meteorologen waren auch über das Wetter in den USA beunruhigt. Dort herrschten in den letzten vier Wochen ebenfalls außergewöhnlich kühle Temperaturen, es schneite viel und regnete. Die Texaner, von der Sonne verwöhnt, fröstelten. Und als am letzten Wochenende in Kansas ein Tornado wütete, der ein ganzes Haus samt Besitzer durch die Lüfte trug, fragten sich viele: Was ist bloß mit dem Wetter los? Tornados kennt man eher im Herbst. Und schließlich das Hochwasser des Mississippi. Es ist das schlimmste, das die Bundesstaaten Wisconsin und Illinois seit zwei Jahrzehnten erlebt haben. Grafik: Mittlere Sonnenscheindauer in Berlin Meteorologen sehen das kühle Wetter, das schon den März beherrschte, nicht nur negativ. "Wir sollten froh sein, dass es auch einmal kälter ist als normal" sagt Mieke Windmüller von Meteofax. "Das zeigt, dass das Klima nicht immer nur wärmer wird, sondern es kurzzeitig auch wieder einen Ausgleich findet".

"Was wir erleben, ist das ganz normale chaotische Verhalten der Atmosphäre", sagt Klimaforscher Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für Klimaforschung in Hamburg. Latif, einer der beständigsten Warner vor einer globalen Erwärmung, sagt, der Trend sei ungebrochen: "Zwei kältere Monate können 100 Jahre Erwärmung nicht wettmachen. Es gebe keinen Zweifel daran, dass sich der Trend zur Erwärmung fortsetze, "und dass der Mensch an diesem Prozess beteiligt ist", sagt Latif.

Geschäft für Spekulanten

Latif und seine Kollegen beschäftigt derzeit genau die Frage, warum das Wetter in manchen Jahren im Trend liegt und in manchen nicht. Eine abschließende Erklärung wird es wohl noch längere Zeit nicht geben, aber der Nutzen solcher Erkenntnisse ist offenkundig: Wenn es gelänge, den Trend einer Jahreszeit vorherzusagen, würde dies vielen Wirtschaftszweigen nützen. Dabei geht es nicht um konkrete Wettervorhersagen, wie sie die Meteorologen für einzelne Tage erstellen, sondern darum, festzustellen, um wie viel Prozent die Sonnenscheindauer, die Regenmenge, die Temperatur in einer bestimmten Jahreszeit abweichen werden. Schon heute werden Klimaforscher für diese Aufgabe teuer entlohnt. In Chicago werden jeden Tag Optionen auf Weizen, Mais, Kokosöl und viele andere Produkte gehandelt, mit denen sich Unternehmen gegen fallende Preise im Falle einer zu guten Ernte absichern können. Und es gibt nicht wenige Spekulanten, die eine Menge Geld verdienen - oder verlieren -, wenn die Ernte anders ausfällt als erwartet. "Es gibt noch eine Menge Forschungspotenzial", sagt Thomas Globig von Meteofax.

Das gilt vor allem für diejenige Wetterlage, die in letzter Zeit das trübe Wetter verursacht hat: die "meridionale Wetterlage". Normal ist eigentlich die "zonale Wetterlage". Das heißt, der Wind kommt aus dem Westen und bringt Europa immer neue Tiefs und Hochs vom Atlantik, mit den Folgen, die wir kennen. Bei der "meridionalen Wetterlage" ist die westliche Luftströmung ersetzt durch einen gewaltigen Luftaustausch zwischen Norden und Süden. Riesige kalte Luftmassen aus dem Polargebiet werden nach Süden gedrückt, während weiter östlich zum Ausgleich warme Luft nach Norden geschoben wird. Moskau hatte die ganze letzte Zeit blauen Himmel, Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad. Es sind komplexe Wechselwirkungen, die aber nicht nur Verdruss bringen. Thomas Globig weiß aus Erfahrung: "Wenn auch noch der Mai überdurchschnittlich kühl wird, dann bekommen wir einen ganz heißen Sommer."

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