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Kultur: Engel und Menschen applaudieren

LITERATUR

George Tabori beginnt heute am Schiffbauerdamm, wo er, nah beim Berliner Ensemble, nur ein paar Schritte von seinem Theaterarbeitsplatz lebt, das 90. Lebensjahr. Soeben hat er sein Archiv mit Manuskripten, Briefen, Dokumenten eines Jahrhunderts und einer Lebensreise durch drei Kontinente der Berliner Akademie der Künste gestiftet. Und zu seinem Geburtstag sind auch zwei neue Tabori-Bücher erschienen. Zuerst Anat Feinbergs Biographie „George Tabori“ bei dtv (München, 189 Seiten, 10 Euro): mit gut abgesicherten Informationen, doch unsicherer in künstlerischen Wertungen, wenig empfänglich für Taboris sarkastischen Humor und mit etwas lückenhafter Bibliographie. Noch wartet man auf die Fortsetzung von Taboris autobiographischer Erinnerung „Autodafé“ im Wagenbach Verlag, da legt Andrea Welker in der österreichischen Bibliothek der Provinz (Weitra, 28 Seiten, 10 Euro) immerhin Taboris ersten in Deutsch geschriebenen – also nicht wie sonst aus dem Englischen übersetzten – Prosatext als Faksimile vor. Die kurze Erzählung heißt ironischerweise Ich versteh’ nix Deutsch und handelt von einem jüdisch-spanisch-deutschen Shakespeare- Übersetzer, dessen Frau während seiner Arbeit am 130. Sonnet Selbstmord begeht; worauf Emilio Lopez-Leibowitz in einem kafka-burlesken Prozess zum Tode verurteilt wird und im Jenseits endlich Shakespeare trifft und ihm diese Zeilen vorliest: „Korall ist röter als ihr Lippenpaar / Wenn Schnee weiß ist / So ist ihr Busen fahl / Sind Locken Draht / Ist schwarzer Draht ihr Haar.“ Leider versteht Shakespeare – kein Deutsch. Doch: „Drei Engel applaudieren mit ihren großen Flügeln.“ Und wir applaudieren und gratulieren mit!

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