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Kultur: Erfolg mit fetttriefenden Stofffäden

Sergej Jensen erhält den Fred-Thieler-Preis.

Sergej Jensen ist ein Maler, auch wenn er oft ohne Farbe arbeitet. Er reduziert das Bild auf den Bildträger, bespannt Keilrahmen mit alten Textilien, Jute, grobes Leinen, Jeans. Manchmal bearbeitet er das Gewebe im Used-Look zusätzlich mit Bleiche, näht einzelne Teile zusammen, offenkantig. Daraus entstehen Strukturen, warme Farbfelder, die zwischen grau und beige changieren. Oder er bemalt tatsächlich eine Leinwand, hängt sie dann aber umgedreht an die Wand, weil er die durchgedrückte Farbe auf der Rückseite sichtbar machen möchte.

Immer wieder verhandelt der 1973 im dänischen Maglegaard geborene Jensen sein Genre neu. Für seinen „innovativen Umgang mit malerischen Mitteln“ wird er nun mit dem Fred-Thieler-Preis geehrt. Die Verleihung des alle zwei Jahre vergebenen, mit 10 000 Euro dotierten Preises findet am heutigen Sonntagabend in der Berlinischen Galerie statt; am Geburtstag des 1999 verstorbenen Namengebers, Stifters und Meisters des Informel. In der Jury saßen dieses Mal neben Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie, und Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, namhafte Künstler, die sich ihrerseits um die Grenzerweiterung der Malerei verdient machen, Valerie Favre, Katharina Grosse und Gerwald Rockenschaub.

Sehr schnell soll Einigkeit über den aktuellen Preisträger geherrscht haben. Der Konsens spiegelt Jensens rasante Karriere wider. 2011 zeigte das PS1, die junge Zweigstelle des Museums of Modern Art in New York, eine Einzelausstellung mit seinen Arbeiten. Für das aktuelle Album der Hamburger Kult-Band Tocotronic hat er das Booklet mitgestaltet und ein T-Shirt entworfen. Studiert hat Jensen in Deutschland, an der Städelschule in Frankfurt bei Thomas Bayrle.

Die Textilkunst des in Berlin und New York beheimateten Künstlers ist dabei nicht rein formalästhetisch. Sondern mitunter ziemlich witzig. So entpuppt sich in der Ausstellung der Berlinischen Galerie ein pastos aufgetragener Acrylfarbfleck auf einem knittrigen Baumwollstoff, der seinerseits auf eine Leinwand geklebt wurde, als „Burger“, die nach unten hängenden Fäden werden zu fetttriefender Sauce. „Why? Kriminalität“ heißt ein großformatiges Gemälde mit Reihen von blassgelben Ypsilons (auf Englisch „why“ ausgesprochen) auf grünem Untergrund. In der Mitte verteilt sich ein schmutzig-rot glänzender Fleck, der wie Blut aussieht. Da ist offensichtlich eine Gewalttat passiert, die Sauerei ergießt sich auf der Leinwand und die Buchstaben werden zu Y-Chromosomen. Das führt zu dem großen Gedanken, ob Gene kriminelle Neigungen determinieren. Aber nicht nur. Sondern auch zu der hausmütterlichen Frage, wie man Blut eigentlich wieder aus Textilien rauskriegt. Diese Banalität offenbart Großartiges: In der Malerei von Sergej Jensen verschmelzen Leinwand und Farbe nicht. Anna Pataczek

Berlinische Galerie, Eröffnung und Preisverleihung heute Abend, 19 Uhr, dann bis 17. Juni, Mi–Mo 10–18 Uhr.

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