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Kopf der Kunst. Curt Glaser.

© ullstein bild

Erinnerung an Curt Glaser: Ein Kosmopolit, ins Exil gezwungen

Er prägte das Profil der Kunstbibliothek in den 1920er Jahren, im NS musste er ins Exil flüchten. Erinnerung an den Berliner Museumsmacher Curt Glaser, dem jetzt eine Gedenktafel gewidmet wird.

„Das Ideal der Geschichtsschreibung ist eine überzeitliche Gerechtigkeit." So schrieb Curt Glaser in seinem 1921 erschienenen Werk zu Lucas Cranach. Wie sehr dieser Satz auch auf ihn persönlich zutreffen würde, konnte er damals nicht ahnen. Der Name des profilierten Kunsthistorikers, Museumsmannes, Kunstkritikers und Sammlers sollte nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten seinen Platz in der Kunstgeschichte verlieren und nahezu vollständig in Vergessenheit geraten. Die Staatlichen Museen zu Berlin erinnern sich heute wieder mit tiefem Respekt an Curt Glaser als einen ihrer bedeutenden Direktoren und Wissenschaftler. Am Montag wird eine Gedenktafel an ihn enthüllt.

Am 29. Mai 1879 in Leipzig geboren, studierte Curt Glaser zunächst Medizin und nahm 1902 das Studium der Kunstgeschichte in Berlin auf. Zu dieser Zeit begann er auch, Kritiken und Berichte über das Berliner Kunstgeschehen für Tageszeitungen und Zeitschriften zu verfassen – eine Tätigkeit, die er über 30 Jahre fortführen sollte, mit fast wöchentlich erscheinenden Texten, in denen er eine kosmopolitische, moderne Haltung vertrat. Zum 50. Geburtstag schrieb sein Mentor Karl Scheffler: „Den Lesern des Berliner Börsen-Courier braucht man kaum zu sagen, was Curt Glaser unserem Kunstleben bedeutet.“ Der Geehrte war damals längst einer der profiliertesten Kunsthistoriker und Publizisten der Weimarer Republik.

Seine Museumskarriere begann er 1909 als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ am Kupferstichkabinett. Dort betreute er die „Neue Abteilung“, also die Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, die er durch Neuerwerbungen erweiterte. Dabei kamen ihm seine Kenntnisse und Interessen zugute: Promoviert hatte er über Hans Holbein den Älteren, gleichzeitig pflegte er Bekanntschaften und Freundschaften mit zeitgenössischen Künstlern wie Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner oder Max Pechstein. Eine mehrmonatige Reise nach Japan und wohl auch China hatte eine intensive Auseinandersetzung mit der Kunst und Kultur Ostasiens zur Folge. In der Zeit am Kupferstichkabinett entstanden Glasers wichtigste wissenschaftliche Publikationen. Sein bekanntestes Werk, „Die Graphik der Neuzeit“, 1922 im Verlag Bruno Cassirer erschienen, erreichte in der zweiten Auflage 10 000 Exemplare und avancierte zum Standardwerk.

Glaser prägte das Profil der Kunstbibliothek maßgeblich

1924 wurde Glaser Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek. Diese baute er in den Folgejahren von einer kunstgewerblichen Vorlagensammlung zu einer kunstwissenschaftlichen Forschungsbibliothek um. Ihr Ausstellungsprogramm und Erwerbungsprofil erweiterte er in Richtung der zeitgenössischen Werbung, Typografie und Fotografie. Er begründete dort auch das deutsche Bildarchiv, das als zentrale Sammelstelle für Aufnahmen deutscher Kunstdenkmäler dienen sollte und zu Beginn rasch wuchs, nach Glasers Weggang und dem Zweiten Weltkrieg jedoch nicht weiter bestand. Glaser führte auch Vortragszyklen ein, die aktuelle Themen aufgriffen: Fragen der architektonischen und städtebaulichen Entwicklung der Großstadt, Kunsterziehung oder „Probleme der heutigen Malerei“.

Die prominenten Themen und Referenten machten die Kunstbibliothek zu einer zentralen Adresse des Berliner Kunstbetriebs. Nicht alle hießen diese Entwicklungen gut, wie in der „Deutschen KulturWacht“, dem Reichsorgan des Kampfbundes für Deutsche Kultur, nach Glasers Beurlaubung 1933 zu lesen war: „Nun gilt es, den Geist der Unordnung zu bannen, der in die Bibliothek eingezogen ist.“ Rückblickend lässt sich sagen, dass das heutige Profil der Kunstbibliothek als wissenschaftliche Spezialbibliothek vielfach auf Glasers Themensetzungen zurückgeht.

Gemeinsam mit seiner Gattin Elsa baute Glaser zudem eine bedeutende private Sammlung auf. Das kunstsinnige und reisefreudige Ehepaar führte ein offenes Haus, in dem Künstler, Wissenschaftler, Museumskollegen gern gesehene Gäste waren. „Wer das Glück hat, im Hause des Direktors der Staatlichen Kunstbibliothek Professor Curt Glaser ,Montagsempfänge‘ mitzumachen, der wird das Gefühl mit nach Hause nehmen, Geselligkeit im besten Sinne genossen zu haben“, schrieb das „Berliner Tageblatt“ 1929.

Im Nationalsozialismus flüchtete er ins Exil

Eine besondere Freundschaft verband das Paar mit Edvard Munch, der Elsa allein wie auch das Ehepaar porträtierte und von dessen Werken die Glasers die umfangreichste Sammlung in Berlin besaßen. Wie tief Curt Glaser unter Elsas Krankheit und Tod 1932 litt, lässt sich in seinen Briefen an Munch nachspüren.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Glaser im Frühjahr 1933 vom Amt des Direktors der Kunstbibliothek beurlaubt – aufgrund seiner jüdischen Abstammung und gewiss auch seiner Einstellung wegen. Er war damit eines der ersten Opfer der nationalsozialistischen Säuberungswelle, die auch Max J. Friedländer, den Direktor der Gemäldegalerie, sowie Wilhelm Waetzoldt, den Generaldirektor der Staatlichen Museen, sowie weitere Mitarbeiter treffen sollte. Glaser musste seine Wohnung räumen. Privat fand er unverhofft neues Glück mit Maria Milch, die er im Mai 1933 heiratete. Noch bevor er im September zwangspensioniert wurde, ließ Curt Glaser in zwei Auktionen bei Max Perl große Teile seiner Sammlung und der Wohnungseinrichtung sowie seine Kunstbibliothek versteigern; im Juni ging das Ehepaar ins Exil.

Einige Werke aus der Sammlung sind in den letzten Jahren in den Staatlichen Museen aufgetaucht. Mit Glasers Erben haben wir dazu 2012 und erneut 2016 faire und gerechte Lösungen im Sinne des Washington-Abkommens gefunden: Ein Teil der Werke wurde restituiert, für andere wurde eine Entschädigungszahlung geleistet, die übrigen verblieben bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nicht zuletzt zur Erinnerung an Curt Glaser.

Eine Gedenktafel soll ihn jetzt ehren

Diese Erinnerung ist der Stiftung ein zentrales Anliegen. Es darf nicht sein, dass ein Mann, der so viel für die Museen leistete, nur in Fachpublikationen gewürdigt wird. Es käme einem späten Triumph der Nationalsozialisten gleich, gewissermaßen einem Erfolg ihres Versuchs, Personen und Haltungen zu vernichten. Mit der Gedenktafel möchten wir Curt Glasers berufliche Leistungen ehren, aber auch daran erinnern, dass hier eine Karriere jäh unterbrochen wurde. Auch wenn er als Kunsthistoriker im Ausland erneut Fuß zu fassen suchte – an seine Erfolge in Berlin konnte er nie mehr anknüpfen.

Die Emigration führte über Frankreich zunächst in die Schweiz. 1938 schrieb Glaser aus Ascona an Munch zu dessen 75. Geburtstag: „Erinnern Sie sich noch, wie wir bei Ihnen gewesen sind, kurz bevor der große Krieg ausgebrochen ist? Damals ahnten wir nicht, wie er die Welt umstürzen würde und die Menschen der Freiheit berauben, die wir für ein selbstverständliches und unveräußerliches Recht anzusehen uns gewöhnt hatten. – Und jetzt?“ Über Italien und Kuba emigrierten die Glasers schließlich 1941 in die USA. Curt Glaser veröffentlichte einen Aufsatz zu Fra Angelico und schloss ein Manuskript über die Geschichte der Renaissance in Florenz ab, seine Karriere war jedoch faktisch beendet. 1943 starb er mit 64 Jahren nach längerer Krankheit in Lake Placid, New York.

Der Autor ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Enthüllung der Gedenktafel: 9. Mai, 10.30 Uhr, am Kulturforum im Foyer der Kunstbibliothek.

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