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Gruppenbild mit Kronprinzessin: Zur Messe-Eröffnung versammelten sich Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg (l-r), die Sängerin Elle Márjá Eira, Kulturministerin Trine Skei Grand, Bundesaußenminister Heiko Maas, Buchmessen-Chef Juergen Boos, Kronprinzessin Mette-Marit mit Hakan von Norwegen, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Ehefrau Ursula Bouffier sowie Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Außenminister Maas würdigt „die langsame Kraft der Literatur“

Zur Eröffnung der Buchmesse werden politische Töne angeschlagen, mit Blick auf den „Terror von rechts“. Nobelpreisträgerin Tokarczuk sorgt sich um Polen.

In Anwesenheit der norwegischen Kronprinzessin Mette-Marit ist am Dienstagabend die 71. Frankfurter Buchmesse eröffnet worden. Da Norwegen dieses Jahr Gastland der weltgrößten Bücherschau ist, nahmen an der Eröffnungsveranstaltung auch die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg teil, ebenso Bundesqußenminister Heiko Maas. Vor dem Hintergrund des rechtsextremistischen Anschlags in Halle rief der SPD-Politiker dazu auf, „hochzuschauen“ von den Smartphones und den Blick nicht auf eigene soziale Netzwerke im Internet zu verengen.

Autorinnen, Verleger und Übersetzer spielten eine zentrale Rolle dabei, „uns aus unseren Blasen herauszuholen“, sagte Maas: „In einer Welt, die nach schnellen, einfachen Antworten lechzt, hilft die langsame Kraft der Literatur, uns vor autoritären Reflexen, vor Abschottung, vor allzu einfachen Antworten zu schützen.“ Maas unterstrich zugleich, dass Terror von rechts genauso wie jede andere Art von Terrorismus „zuallererst und mit aller Härte von den Strafverfolgungsbehörden bekämpft werden“ müsse.

Aber jemand wie der Täter von Halle sei „Nachbar, Arbeitskollege, Familienmitglied, Bekannter“ gewesen und damit ein Teil der Gesellschaft. „Und deshalb tragen wir, trägt diese Gesellschaft, eine Mitverantwortung, wenn wir alle paar Wochen wieder neue Opfer von Rassismus und Antisemitismus, von Hass und Hetze beklagen müssen.“ Erschütterung allein reiche nicht mehr, so Maas. „Unser 'Nie wieder' klingt nach jeder neuen Tat hohler.“

Zu den Rednern in Frankfurt gehörten auch die norwegischen Autoren Karl Ove Knausgård und Erika Fatland. Knausgård verwies in seiner Rede ebenfalls auf die „Langsamkeit“ und die lang andauernde Wirkung von Literatur. Diese habe das Phänomen, dass technologische Errungenschaften wie das Auto und gut gemeinte Taten wie die Veränderung der Erbmasse in ein unkontrollierbares Übel umschlagen könnten, schon seit langem beschrieben. Er nannte Thomas Manns „Doktor Faustus“ als Beispiel, ebenso Friedrich Hölderlin, den „vielleicht größten deutschen Dichter“.

Auch Knausgårds optimistisches Schlusszitat stammte von Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch.“ Am Abend zuvor hatte bereits der diesjährige Buch-Preisgewinner Saša Stanišić auf die politische Verantwortung der Literatur hingewiesen, mit äußerst kritischem Blick auf den Literaturnobelpreis-Gewinner 2019, Peter Handke.

Die frisch gekürte Literaturnobelpreisträgerin für das Jahr 2018, Olga Tokarczuk, hatte zuvor auf der Eröffnungspressekonferenz gesagt, sie glaube an das Verbindende der Literatur, bei allen Unterschieden unter den Menschen. „Sie macht deutlich, dass wir auf einer unsichtbaren Ebene durch Fäden verbunden sind.“ Sie äußerte sich aber auch besorgt über ihr Heimatland Polen, das sie an einem Scheideweg sieht.

Die polnische Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk sieht ihr Land in einem Kulturkrieg

Es herrsche „eine Art Kulturkrieg“, sagte die 57-jährige Schriftstellerin, nicht zuletzt mit Blick auf die Kulturpolitik der nationalkonservativen polnischen Regierung. Schriftsteller könnten in Polen gut arbeiten, „wir brauchen nur einen Computer. Oder einen Bleistift. Aber ich stelle mit gewisser Angst fest, dass manche Selbstzensur üben“, aus Furch vor politischen Repressionen.

Vom Ergebnis der Parlamentswahl, bei der die nationalkonservative Regierungspartei PiS erneut als Sieger hervorging, sei sie „nicht besonders begeistert“. Insbesondere beunruhigten sie deren Versuche, die „Kontrolle“ über einige städtische Kultureinrichtungen wie Museen und Theater „zu übernehmen“.

Tokarczuk hofft, dass der an sie vergebene Literaturnobelpreis dazu beitrage, die polnische Gesellschaft zu einer offenen Gemeinschaft „zusammenzuschweißen“, die niemanden ausschließe. Dieser Tage ist ihr Opus magnum erschienen, der 1100-seitige Roman "Die Jakobsbücher", den die Autorin auch auf der Buchmesse vorstellt.

Buchmesse-Chef Boos: Verlage sind notwendiger denn je

Auch Heinrich Riethmüller, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels äußerte sich explizit politisch. Antidemokratische, rechtsextreme und antisemitische Strömungen nähmen zu. Riehtmüller beklagte eine zunehmende Bedrohung von Menschen- und Freiheitsrechten weltweit. So könnten türkische Medienschaffende im Exil nicht mehr frei in Europa reisen, weil die Türkei ihre Auslieferung beantragt habe. Gerade wegen des raschen gesellschaftlichen Wandels seien Verlage und Bibliotheken notwendiger denn je, meinte ebenfalls der Direktor der Buchmesse, Juergen Boos. Bücher erklärten, ordneten ein, machten die Welt verständlich.

Riethmüller zufolge ist die deutsche Buchbranche aktuell im Aufwand. Nach einer Umsatzsteigerung von fünf Prozent im vergangenen Jahr sei der Umsatz dieses Jahr von Januar bis September weiter um 2,5 Prozent gewachsen.

Ab Mittwoch ist die Buchmesse mit 7450 Ausstellern aus 104 Ländern zunächst für das Fachpublikum geöffnet. Nach Angaben der Veranstalter ist die Zahl der Aussteller ist gegenüber 2018 um rund 150 gestiegen. Erwartet werden rund 285.000 Besucher. Am Samstag und Sonntag öffnet die Messe traditionell ihre Pforten für das leseinteressierte Publikum. (epd/AFP/dpa)

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