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Antirassistisch rassistisch. In "Schiff der Träume" mischen Flüchtlinge eine dekadente europäische Gesellschaft auf (im Bild: Ibrahima Sanogo, Kathrin Wehlisch und Sayouba Sigue).

© dpa

Eröffnung mit "Schiff der Träume": Theatertreffen 2016: Bühne in Sehnot

Flüchtlingskrise und Filmreferenz: Karin Beiers Fellini-Adaption "Schiff der Träume" hätte das Theatertreffen perfekt eröffnen können; wäre das Stück nicht so schlecht.

Wir leben in einer „Zeit der offenen Form“, kein klassischer Theatertext schaffte es in die Auswahl, das Theatertreffen 2016 bringt adaptierte Filme, Romane und „überschriebene“ Dramen. Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, hat die zehn Inszenierungen ja nicht selbst ausgesucht, das besorgt in einem mühsamen Verfahren die Kritikerjury. Aber er macht sich die Entscheidung forsch zu eigen in seiner Rede zum Auftakt im Festspielhaus, schwärmt von „neuen Ritualen der Begegnung, neuen Theaterformen“ und, das allerdings ist nicht zu bestreiten, vom „Übergang zur nächsten Generation“.

Globalisierung und Digitalisierung verändern Ästhetik und Bühnen in einem Land mit der weltweit höchsten Theaterdichte, wie Monika Grütters nicht müde wird zu betonen. In ihrem Grußwort zeigt sich die Kulturstaatsministerin kampfbereit und verteidigt die Kulturlandschaft, die vielerorts bedroht ist, in Rostock, Plauen, Dinslaken, Neustrelitz.

Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg gehört natürlich zu den dicken Fischen, seine Intendantin Karin Beier war auch schon öfter eingeladen zum Theatertreffen. Ihr „Schiff der Träume“ ist auf den ersten Blick die ideale Eröffnungsinszenierung. Großer Stoff, großes Ensemble, große politische Aktualität. Karin Beier hat Federico Fellinis gleichnamigen Film gekapert für ein „europäisches Requiem“. Das war die Kinofantasie von 1983 auch schon. Eine Operngesellschaft begleitet die Asche der geliebten Diva auf ihrer letzten Reise übers Mittelmeer. Es ist das Jahr 1914, das Schiff gerät zwischen Weltkriegsfronten, nimmt Flüchtlinge auf, wird versenkt – und die dekadente Fracht geht doch nicht unter.

Ein dummer Abend

Bei Karin Beier läuft es grober. Sie hat für ihr spleeniges, zerstrittenes Künstlervolk nur Spott übrig und faule Witze. Warten auf den Urnenabwurf: Der erste Teil sieht aus wie ein schwacher Marthaler-Abend. Musiker und Schauspieler langweilen sich mehr oder weniger unterhaltsam auf dem Kreuzfahrtdampfer. Klar, man hat auch seinen Spaß mit Lina Beckmann, Josef Ostendorf, Charly Hübner. Aber Karin Beier arrangiert jeden Gag mit Ansage, das zieht sich hin und nimmt seinen abrupten Übergang in den zweiten Teil der bald dreieinhalbstündigen Veranstaltung – der dann kein matter Marthaler, sondern eine schlechte Maxim-Gorki-Theater-Kopie wird.

Ein Trupp afrikanischer Performer übernimmt das Kommando. Aus dem Meer gerettete Flüchtlinge, so wird die Lage beschrieben. Blöd für die Luxus-Passagiere. Jetzt gibt es erst mal Comedy zum Kennenlernen. Deutschland als aussterbende Nation, mit netten Fotos aus dem Altersheim, das ist noch ganz lustig. Reden wir nicht davon, welch ein Gigant Fellini war und dass er hier auch über Bord geht. Die Frage lautet: Gegen wen richtet sich das? Was soll der Selbsthass? Die Regisseurin engagiert sich mit dem Schauspielhaus im richtigen Hamburger Leben stark für Flüchtlinge und stellt dann einen Haufen selbstsüchtiger, dämlicher und im tiefsten Herzen rassistischer Künstlertypen auf die Bühne. Die Afrikaner spielen schön sämtliche Klischees an und aus. Starke Männer, sexy, können toll tanzen, die armen Teufel, bringen hier mal Lebensfreude und Rhythmus in den gesicherten und gesegneten, aber grauen mitteleuropäischen Alltag, machen ein Rassismus-Quiz mit dem Publikum. Wozu diese künstliche Konfrontation?

Ein dummer Abend, antirassistischer Rassismus, schon im Programmheft erkennbar: Die Weißen haben Rollen mit Namen, die Schwarzen spielen sich selbst. Zweiklassengesellschaft. Vielleicht funktioniert es in Hamburg? Auf der Party nachher waren hässliche Dinge über dieses „Schiff der Träume“ zu hören. Leider fast alles wahr.

Unsere Themenseite zum Berliner Theatertreffen finden Sie hier.

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