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Kultur: Es gibt kein richtiges Leben im Fälschen

Erster deutscher Fim im WETTBEWERB: Stefan Ruzowitzkys KZ-Drama „Die Fälscher“

In „Die Fälscher“ gibt es einen SS-Mann, großartig gespielt von Devid Striesow, der oft nett und gönnerhaft zu „seinen“ Juden ist und der sie im KZ vor den anderen SS-Männern beschützt. Er sagt: „Wenn man Menschen wie Dreck behandelt, werden sie keine Leistung bringen.“ In diesem Moment, einem der besten im ersten deutschen Wettbewerbsbeitrag, verschwimmt die Grenze zwischen Mordmaschine und modernem Management, und man ahnt, was die Historikersätze bedeuten, auch Auschwitz sei letztlich eine „Fabrik“ gewesen und die Nazis, auf ihre Weise, sehr modern. Effizienz ohne Moral, Totalitarismus des Erfolgsdenkens, so lautet die negative Definition von „Moderne“. Ob man reizend behandelt oder getötet wird, hängt bei dieser Art der Moderne nur von der Abteilung ab, in die man eingeteilt wird, dem Land, in dem man lebt, dem Zweck, dem man dient.

Über „Die Fälscher“ muss man nicht die zwanzigste Tabubruchdebatte führen. Es stimmt, dass hier vermutlich zum ersten Mal meist deutsche Schauspieler, unter der Regie des Wieners Stefan Ruzowitzky, einen ganzen Film lang die ausnahmslos jüdischen Insassen eines Lagers spielen, und zwar auf eine durchaus unterhaltsame und spannende Weise, das heißt, nicht frei von den Klischees des Unterhaltungskinos. Aber die Verbrechen der Nazis sind nun einmal zum Gegenstand der populären Kunst geworden, die, wenn sie jemanden erreichen will, ohne Unterhaltung selten auskommt, man kann diesen dramatischen Jahrtausendstoff nicht allein im Bernstein der Dokumentationen aufbewahren. Wenn es gut ist, ist es gut: Damit ist zur Tabudebatte im Grunde alles gesagt.

Die Geschichte lehnt sich an das „Unternehmen Bernhard“ der Nazis an, die es wirklich gab, und an die Erinnerungen des bis heute überlebenden Häftlings Adolf Burger, inzwischen 90 Jahre alt. Im KZ Sachsenhausen wurden ab 1942 mehr als 100 jüdische Handwerker, Bankiers und Kleinkriminelle in einer Fälscherwerkstatt zusammengefasst, mit dem Ziel, britische Pfundnoten und US-Dollars perfekt nachzuahmen. Auf diese Weise sollte das Reich finanziell wieder flüssig und das Währungssystem der Kriegsgegner ruiniert werden. Beides gelang nur ansatzweise, unter anderem, weil die Häftlinge das „Bernhard“- Projekt geschickt verzögerten. Trotzdem gilt es als die größte Geldfälschungsaktion der Geschichte. Nach seinem Abschluss hätte man die Fälscher sehr wahrscheinlich liquidiert, um der Geheimhaltung willen. Deshalb waren es Juden. Bis dahin aber führten sie sozusagen ein KZ-Leben erster Klasse, mit ziviler Kleidung, normalem Haarschnitt, weichen Betten, guter Ernährung und, für die Freizeit, einer Tischtennisplatte. Sie sollten fit und motiviert sein. Nicht nur rundherum im Lager wurde gestorben – hinter dem Bretterzaun hörte man Schreie und Schüsse –, die Häftlinge arbeiteten auch in dem Bewusstsein, dass ihre Familien in den Vernichtungslagern vermutlich bereits ermordet worden waren.

Aus der Einmaligkeit der NS-Verbrechen wird manchmal, bewusst oder unbewusst, die Forderung abgeleitet, dass bei ihrer Inszenierung auch besondere oder sogar einmalige ästhetische Mittel verwendet werden müssten. Dann wäre unterhalb des Meisterwerks fast nichts möglich. Das ist eine Überforderung. Bei dem Versuch, besonders „sensibel“ zu sein, kommt andererseits oft Kitsch heraus. Ruzowitzky erzählt recht robust und konventionell, dabei verwendet er meist eine Sprache, wie man sie aus den Knastserien des Fernsehens kennt, nicht nur bei den Bildern. Seine KZ-Häftlinge sagen „Was soll der Scheiß?“ oder „Leck mich!“. Er greift auch wieder einmal zu einer Idee, die man inzwischen von Steven Spielberg und von Dani Levy kennt, die Dusche, aus der, entgegen den Befürchtungen der Häftlinge, kein Gas kommt, sondern harmloses Wasser. Dieses Spiel mit dem immer noch vorhandenen Tabu „Gaskammer“ wirkt inzwischen fast ärgerlich, beim ersten Mal bewegend, beim dritten Mal ein billiger Effekt.

Es ist die unkonventionelle Zeichnung der Personen, die aus den „Fälschern“ einen immerhin bemerkenswerten Film macht. Bei den Häftlingen vermeidet Ruzowitzky, der auch das Drehbuch geschrieben hat, jede Anspielung auf das Jüdische, wie sonst üblich, da gibt es mal keinen Sabbat, keinen Klezmer im Hintergrund und keine auffälligen Bärte. Es sind normale, das heißt: durchschnittliche und unauffällige Deutsche, die Mundart reden und dumme Witze erzählen, Handwerker, kleine Leute, bekannte Schauspielergesichter zum Teil, zufällig halt Juden. Die Hauptfigur, der geniale Fälscher Salomon Sorowitsch, wichtigste Figur des „Unternehmens Bernhard“, sparsam und deshalb sehr eindringlich gespielt von Karl Markovics, ist kein Engel. Sorowitsch ist ein nicht immer sympathischer Gauner, ein Filou und Opportunist. Einer, der fast alles tun würde, um seinen Hals zu retten – so, wie es die meisten von uns in einer solchen Situation wohl auch tun würden.

So vermeidet Ruzowitzky die Fußangeln des Philosemitismus. Leute müssen nicht fehlerfrei und nicht in irgendeiner Weise besonders sein, damit ihre Ermordung verboten ist. Am Beispiel des wendigen Sorowitsch und des prinzipienfesten Widerstandskämpfers Burger (August Diehl) diskutiert der Film jenes Problem, das KZ-Überlebende in ihren Erinnerungen oft quält – das Schuldgefühl der Überlebenden. Am Ende verspielt Sorowitsch in Monte Carlo mit steinernem Gesicht ein Vermögen, gibt trotzdem reichlich Trinkgeld und tanzt mit einer Frau am Strand, eine schöne und zugleich traurige Szene, denn er ist frei, aber ein Happy End gibt es bei so etwas nicht.

Heute 12, 18.30 und 21 Uhr (Urania)

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