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Kultur: Es gibt keine Inseln mehr Bodo Kirchhoff über

den Terror auf Bali

Ich habe mich als reisender Autor zwischen der Karibik und Ostasien oft genug in so genannten Urlaubsparadiesen herumgetrieben. Da spürt man schon in sich selbst den Konflikt zwischen der eigenen Arbeit und der absoluten Dummheit und wohligen Faulheit des Ferienmachens. Aber dieser kleine Innenzwist des skrupulösen Europäers findet seine viel härtere Entsprechung im Konflikt zwischen Tourismus und einheimischer Gesellschaft. Der westliche Tourist, so begehrt er auch sein mag, verkörpert eine ungeheure Provokation. Dabei spielt in Asien gar nicht so sehr der Gegensatz zwischen Reich und Arm eine Rolle. Soziale Unterschiede werden aufgrund der Religion meistens hingenommen. Es ist vielmehr ein Konflikt der Kulturen – in dem der Westen, kulminierend im Abbild des „Amerikanischen“, als scheinbar selbstverständliche Anmaßung auftritt, hegemonial und postkolonial.

Diese Anmaßung äußert sich sogar noch in der Attitüde des Verständnisses oder der modischen Imitation asiatischer Bräuche. Auch das geschieht ja mit der Gebärde des Überlegenen, der das Eigene – und sei´s in der kritischen Verleugnung – zum selbstverständlichen Maßstab macht. Ein Maßstab, nach dem das Paradies nicht erst nach dem Tod beginnt, sondern auf Erden zu Hause ist. Das bedeutet für andere Religionen und Kulturen eine tiefe Kränkung. So wird der Tourist zum passiven Missionar. Hinzukommt: Die USA werden mit ihrem Anspruch, als westliche Leitmacht über Gut und Böse zu entscheiden, gerade als besonders missionarisch empfunden. Missionare aber waren immer auch extrem gefährdet, man hat sie häufig getötet. Aus Hass. Und jetzt hat sich der Hass bei den Anschlägen auf Bali womöglich mit einer politischen Strategie verbunden.

Bali wurde bis dahin als ein „Paradies auf Erden“ bezeichnet. Und in allen TV-Specials und „Brennpunkten“ habe ich mich am Sonntagabend über das Klischee von der Trauminsel, von der „Insel der Götter“ geärgert. Als sei Bali nicht längst ein Teil des Chaos von Indonesien. Schon das Wort „Insel“ ist ein Euphemismus. Es gibt heute keine Inseln mehr.

Ich verstehe zwar, dass die Tourismus-Industrie erholungsbedürftigen Menschen etwas Außergewöhnliches versprechen will. Es darf auch Paradiese auf Erden geben. Doch die sind schon von Natur aus bedroht. Ich habe dem Drehbuch zu „Manila“, einem Spielfilm über Urlauber (Regie führte Romuald Karmakar), das Motto vorangestellt: „So weit Sie auch reisen, Sie bleiben immer ein Schwein.“ Das gilt für uns alle. Denn genau solche armen Schweine hat es bei den Anschlägen in Bali getroffen.

Spätestens seit dem 11. September müsste der Staat daher von der Touristikbranche einen Schutz für Verbraucher einfordern. Alle Trauminselträume sind ausgeträumt. Das verändert das Reisen auch generell. Die Welt ist explosiv und beginnt vor der Haustür.

Bodo Kirchhoff schrieb zuletzt den Bestseller „Schundroman“ und lebt in Frankfurt/Main sowie am Gardasee. Der Text wurde im Gespräch aufgezeichnet von Peter von Becker.

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