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Kultur: Es war einmal in Amerika

Dirigent William Barkhymer bringt Gershwins Oper „Porgy & Bess“ in die Komische Oper

Wer versucht, im Internet die Website des „New York Harlem Theatre“ zu finden, wird enttäuscht. Es gibt nämlich gar keine. „Wir sind halt altmodisch“, sagt William Barkhymer, der künstlerische Leiter, entschuldigend. Vielleicht, möchte man hinzufügen, will die Truppe, die ab 27. Juli mit George Gershwins „Porgy & Bess“ in Berlin an der Komischen Oper gastiert, aber auch gar nicht gefunden werden. Weil sie eigentlich nur eine Briefkastenfirma ist.

Eine Bühne namens „New York Harlem Theater“ existiert nicht, weder in der US-Metropole noch anderswo. Die Opernkompanie, die Barkhymer 1981 zusammen mit einem Freund gegründet hat, formiert sich lediglich für Gastspiele in aller Welt. Nach Kanada und Japan haben sie Gershwins Meisterwerk schon gebracht, vor allem aber sind sie regelmäßig kreuz und quer durch Europa unterwegs – und tragen dabei immer ihren authentischen Namen als Verkaufsargument vor sich her.

Fragt man William Barkhymer, wie viel hundert Male er die vor 75 Jahren geschaffene Oper schon dirigiert hat, behauptet er, niemals mitgezählt zu haben. Der Amerikaner, der in Wien Schüler des legendären Maestromachers Hans Swarowsky war, kann jedoch glaubhaft machen, dass er jede einzelne dieser Aufführungen genossen hat. Weil „Porgy & Bess“ eine wirklich großartig gearbeitete Partitur ist, die bedeutendste Oper mit ausschließlich farbigen Solisten. Und weil er seinen Job nicht im Dauerbetrieb ableisten muss wie bei einem jahrelang en suite laufenden Broadway-Musical. Nur wenn sich genug Städte finden, die das „New York Harlem Theatre“ – gegen Vorkasse – für Gastspiele buchen, startet eine Tournee.

Die Mitwirkenden werden dafür jeweils neu zusammengestellt. Neben einem festen Stamm, der sich den Strapazen des Wanderbühnenlebens immer wieder aussetzt, kommen jedes Mal junge, unverbrauchte Kräfte hinzu. Auch wenn viele schwarze Sänger Angst haben, durch die Teilnahme an den Tourneen in der „Porgy & Bess“-Schublade zu verschwinden und nicht mehr für andere – will sagen: traditionell mit Weißen besetzte – Opernpartien engagiert zu werden, kann Barkhymer aus einem großen Pool von Talenten auswählen.

In dem Dokumentarfilm „Porgy & me“, der im Januar in den Kinos lief und Anfang August auf DVD herauskommt, führt die Filmemacherin Susanna Boehm lange Interviews mit vielen von Barkhymers Darstellern. Sie berichten darin eindrücklich, wie sich Leben und Theater für sie bei dieser Produktion berühren. Weil sie die Themen kennen, um die es bei Gershwin geht: Rassendiskriminierung, Gewalt, Drogenkriminalität, die Undurchlässigkeit der sozialen Schichten.

Der weiße Chefdirigent findet die Dokumentation allerdings zu negativ. Die Regisseurin habe bewusst Sänger mit problematischem familiärem Hintergrund herausgepickt, kritisiert er. Für Barkhymer stellt sich die Situation in den USA ganz anders dar: „Die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß verschwimmen doch immer mehr.“

Das Orchester für „Porgy & Bess“ rekrutiert der Maestro entweder bereits in den USA oder er engagiert Musiker aus der Region. Bei Europa-Gastspielen hat er schon häufig mit einem Ensemble aus Sofia zusammengearbeitet. Das möchte er allerdings nicht so gerne in der Zeitung lesen – denn er hat die Erfahrung gemacht, dass die Kritiker dann plötzlich meinen, aus dem Graben klänge es nicht jazzig genug.

Arbeitgeber des „New York Harlem Theatre“ sind während der Saison sogenannte „Bespieltheater“, also Häuser, die über kein eigenes Ensemble verfügen. Im Sommer, wenn die großen Institutionen dichtmachen, mieten aber auch kommerzielle Veranstalter wie „BB Promotion“ gerne deren edle Hallen für Barkhymer und Co. an. In diesem Sommer beispielsweise startet „Porgy & Bess“ in der Leipziger Oper, um dann über Bremen und Köln nach Berlin zu wandern, von wo es weiter zum Nationaltheater Mannheim geht.

Die ebenso liebevoll wie konventionell gemachte Inszenierung des „New York Harlem Theater“ war im Juni 2003 im Theater des Westens zu sehen, vor zwei Jahren spielte die südafrikanische Cape Town Opera das Stück in der Deutschen Oper. Damit dürfte „Porgy & Bess“ das am häufigsten in Berlin gespielte Musikdrama eines amerikanischen Komponisten sein. Frederik Hanssen

Komische Oper, 27. Juli bis 1. August. Weitere Infos: www.bb-promotion.com

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