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Kultur: Eta-Terror: Gezielt

Den Sprengstoffexperten der spanischen Polizei stand der Schweiß auf der Stirn. Als sie die 53-Kilo-Autobombe auf dem Flughafen von Malaga untersuchten, wussten sie genau, dass der kleinste Fehler mindestens zwei Etagen des Parkhauses im neuen Picasso-Terminal in Schutt und Asche legen würde.

Den Sprengstoffexperten der spanischen Polizei stand der Schweiß auf der Stirn. Als sie die 53-Kilo-Autobombe auf dem Flughafen von Malaga untersuchten, wussten sie genau, dass der kleinste Fehler mindestens zwei Etagen des Parkhauses im neuen Picasso-Terminal in Schutt und Asche legen würde. Der Faktor Zeit kam hinzu. Die Sicherheitskräfte hatten nur 20 Minuten, um den Zeitzünder zu entschärfen. Ein ferngesteuerter Roboter half schließlich, diese Hürde glücklich zu überwinden.

Dann kam die böse Überraschung. Die baskische Terrororganisation Eta hatte einen zweiten Zünder eingebaut, der auf eine spürbare Erschütterung reagiert hätte. Dieser Mechanismus war nur durch Handarbeit zu überbrücken - eine gefährliche Aktion. Sie glückte, der Sprengstoff konnte durch fünf kontrollierte Explosionen zerstört und Menschenleben gerettet werden.

Hohe Einbußen drohen

Während des gesamten Einsatzes hatten sich derweil Tausende Touristen auf dem Flughafen im Abflug-Terminal um ihr Gepäck geschart. Stundenlang schwebten sie in Ungewissheit, zuckten bei jeder neuen Explosion zusammen. Erst als die Bombe um 12.30 Uhr entschärft war, konnten sie aufatmen. Danach mussten sie aber noch über zwei Stunden warten, bis der Airport wieder seinen normalen Betrieb aufnahm. Vielen stand die Angst noch lange nach der Entwarnung ins Gesicht geschrieben.

Damit hatte die Eta ihr Ziel erreicht, auch ohne dass die Bombe in einem der Haupttouristenflughäfen Spaniens Schäden anrichtete. Zahlreiche Spanien-Urlauber fürchten jetzt, dass sie Anschlägen zum Opfer fallen könnten. In ganz Europa sorgt die Sommer-Offensive der Eta für Schlagzeilen in den Medien, so dass der spanischen Tourismusbranche nun immer massiver eine regelrechte Panikstimmung und hohe Einbußen drohen. Noch aber bleiben die Vertreter der Branche recht gelassen.

Tatsächlich dürfte die aufkommende Angst vor Spanien-Reisen eher unangebracht sein. Denn in Wahrheit legt es die Terrororganisation gar nicht unbedingt darauf an, Touristen zu töten - auch wenn sie den Tod von Touristen sicherlich für ihre Zweck in Kauf nehmen würde. Ihre derzeit nahezu täglichen Attentatsversuche sind lediglich spektakuläre Propaganda-Vorhaben, um die zunehmende Panik weiter zu schüren. Andernfalls würde die Eta weder durch Bekenneranrufe vor ihren Bomben warnen, noch so unerfahrene Nachwuchs-Terroristen einsetzen wie die 22-jährige Olaia Castresana, die in Torrevieja mit ihrem eigenen Dynamit in die Luft flog.

Darüber hinaus hatte die spanische Polizei zumindest was die Anschläge in Urlaubsgegenden angeht bisher noch immer die Nase vorn, da sie in den letzten vier Jahren erfolgreich so viele Informanten in die Separatisten-Kreise eingeschleust hat, dass die Eta vor knapp zwei Jahren in ihrem internen Bulletin "Zutarbe" feststellte, ihre gesamte Struktur sei unterwandert.

Natürlich hat die Terrororgruppe Gegenmaßnahmen ergriffen und in ihrem Umfeld eine noch stärkere Radikalisierung durchgesetzt. Oberwasser hat sie dadurch aber nicht bekommen. Im Gegenteil: Ihr aktiver Anhang und ihre Kommandos bestehen jetzt fast ausschließlich aus Nachwuchs-Radikalen unter 25 Jahren, die außer ihrem ständigen Straßenkampf gegen öffentliche Einrichtungen keine "Qualifikationen" haben, um erfolgreich Bomben zu bauen oder die Sicherheitskräfte in die Irre zu führen. Außerdem hat die spanische Zentralregierung entschlossen an ihrem Kurs festgehalten, die Eta mit V-Leuten zu unterwandern.

Wie beim Drogenhandel

Allein in diesem Jahr hat Madrid den Jahresetat von "Geheimfonds zur Terrorismusbekämpfung", mit denen zum Beispiel Informanten bezahlt werden, um über ein Drittel auf fast 40 Millionen Mark erhöht. Darüber hinaus verdreifacht die Polizei jeden Sommer ihre Präsenz in den Urlaubsorten, um die Touristen zu schützen und mögliche Terrorkommandos aufzuspüren. Schließlich dürfte auch der Umstand beruhigend wirken, dass die Eta heute nichts anderes mehr ist als eine Mafia-Organisation, die davon lebt, Lösegelder und Revolutionssteuern von Geschäftsleuten zu erpressen.

Das ist wie beim Drogenhandel - nur wer die Geschäfte stört, läuft Gefahr, das eigene Leben zu verlieren. Alle anderen werden in Ruhe gelassen, so lange sie sich nicht zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalten. Sicher ist es mehr als tröstend, dass dies in der über 40-jährigen Geschichte der Eta noch nie einem Touristen passiert ist - und das, obwohl die Terrororganisation in den letzten 20 Jahren bereits über 100 Bomben an Spaniens Stränden gelegt hat.

Andreas Klinger

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