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Kultur: Etikett und Schwindel

Bernhard Schulz über den deutschen Hader mit der Unesco

Die Fälle häufen sich, dass deutsche Kommunen leichtfertig mit dem Unesco-Gütesiegel umgehen. Erst war es Potsdam, das mit einem klobigen Einkaufszentrum seinen frisch erworbenen Status gefährdete. Dann folgte Köln, das ein Hochhaus in Sichtweite des geschützten Doms bauen ließ und weitere vorsah. Berlins Museumsinsel, gleichfalls geadelt, hat eine Diskussion um das geplante neue Eingangsgebäude noch vor sich, wenn die Bauentscheidung ansteht; das allerdings in weiter Ferne. Nun steckt Dresden in der Klemme, wo sich die Fronten der Befürworter und der Gegner der „Waldschlösschenbrücke“ genannten Elbauen-Querung unverrückbar versteift haben. Der Welterbe-Status für das Mittlere Elbetal, Ende 2004 erst errungen, steht auf dem Spiel. Die Brückenfreunde beeindruckt das herzlich wenig.

Ohnehin seien die Unesco-Regeln nicht verbindlich, legte das die Rechtsaufsicht über die Stadt führende Regierungspräsidium nach, weil es für das maßgebliche Unesco-Übereinkommen keine Umsetzung in bindendes deutsches Recht gebe. Das allerdings ist eine schallende Ohrfeige für die säumige Bundespolitik. Nur wird Dresden die Schmach erdulden müssen, aus der begehrten Welterbe- Liste gestrichen zu werden, wenn es nicht gelingt, zu einer Unesco-verträglichen Lösung zu finden. Diese Sanktion hat das Welterbe-Komitee im Juli für den Fall des Brückenbaus unmissverständlich beschlossen.

Die Reaktion der Unesco entspringt enttäuschter Wertschätzung – Wertschätzung für die deutsche Denkmalpflege nämlich. Oft ist deren „Vorbildfunktion“ beschworen worden, gerade gegenüber Staaten, in denen die Denkmalpflege eine prekäre Tätigkeit ist. Doch die Nonchalance, um nicht zu sagen Dreistigkeit, mit der sich hiesige Kommunen über die Verpflichtungen der von der Bundesrepublik unterzeichneten und ratifizierten Unesco-Konvention glauben hinwegsetzen zu können, stößt mittlerweile auf Protest.

Unter diesen Umständen ist die fehlende Umsetzung in nationales Recht, hinter der sich die Dresdner Brückenbauer nunmehr amtlich verschanzen dürfen, ein grobes Versäumnis. Denkmalschutz ist allerdings Ländersache – und den nehmen, scheint’s, die Bundesländer nicht recht ernst.

Doch das ist Formelkram – dann nämlich, wenn es, wie in Dresden, zum Schwur kommt. Allmählich sollte es allen Stadtvätern dämmern, dass die Unesco nicht bloß hübsche Etiketten verteilt, sondern Pflichten einfordert. Von Brücken zerschnittene Täler gibt es in aller Welt. Das Mittlere Elbetal jedoch hat sein Prädikat nur verdient, wenn es die einmalige Kulturlandschaft bleibt, zu der es Jahrhunderte geformt haben. Auszeichnung und Verpflichtung gehören zusammen – sonst bleibt Dresden allein die Blamage.

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