zum Hauptinhalt
Bilder seiner großen Reise. Delacroix war 1832 in Nordafrika. 1837 entstand das Bild „Der Kaid. Ein marokkanischer Stammesfürst“. Heute gehört es dem Museum in Nantes.

© RMN-Grand Palais/Gérard Blot

Eugène Delacroix im Louvre: Format und Freiheit

Wie modern muss ein Maler sein? Der Louvre huldigt dem populären französischen Romantiker Eugène Delacroix.

Der Auftakt ist eine Wucht. Gleich im ersten Raum der Retrospektive zu Eugène Delacroix in den unterirdischen Sonderausstellungsräumen des Pariser Louvre sind die Meisterwerke versammelt, die man von diesem Künstler kennt: die „Dantebarke“, das „Massaker von Chios“ und, allen voran, „Die Freiheit führt das Volk“, jene Verherrlichung der Revolution von 1830, die wie kein zweites Gemälde die Werte des modernen Frankreich in ein Bild fasst, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Lediglich ein Gemälde fehlt hier, der „Tod des Sardanapal“, der Riesenschinken mit der genüsslichen Ausmalung einer altorientalischen Begebenheit oder Legende. Das Bild ist einfach zu groß, um es aus der Großen Galerie des Louvre hier hinunter zu schaffen, und so muss, wer Delacroix vollständig abhaken will, den Weg durch die Besuchermassen nehmen und hinauf in den Oberlichtsaal der französischen Großformate steigen.

Auch die anderen Bilder gehören dem Louvre und zum Kernbestand der Malerei des französischen 19. Jahrhunderts. Warum also diese Retrospektive, abgesehen von der Gelegenheit, Leihgaben aus aller Welt zusammenzuführen? Doch diese Leihgaben betreffen kleinere Formate, oft auch Wiederholungen früherer Kompositionen, wie es Delacroix mit zunehmendem Alter handhabte, um einen wachsenden Sammlerkreis zu befriedigen. Der Anspruch der hauseigenen Ausstellungskuratoren ist ehrgeiziger, sie wollen die Modernität Delacroix’ belegen.

Delacroix schuf zahlreiche Wand- und Deckengemälde

Genau das aber gelingt nicht – es sei denn, man wolle jede Wiederholung, jedes Selbstzitat und vor allem die späte Hinwendung des Malers zu Rubens und dem Barock als modern etikettieren. Delacroix war zweifellos modern am Beginn seiner atemberaubend steilen Karriere, als der 24-Jährige mit der „Dantebarke“ auf dem Salon debütierte, jener Leistungsschau, die über Wohl und Wehe eines Künstlers entscheiden konnte. Für Delacroix war der Salon ein Muss, belohnt durch Ankäufe seiner Hauptwerke durch den Staat. Auch wenn fallweise, wie beim „Freiheitsbild“ von 1831, bald darauf die Verbannung ins Depot folgte, weil Aufruhr bald nicht mehr gefragt war.

Dem Ruhm des Malers tat das keinen Abbruch; in seinen mittleren Jahren wurde er mit Staatsaufträgen für Wand- und Deckengemälde überhäuft, die naturgemäß in der Louvre-Ausstellung nicht vorkommen. Stattdessen eben jene zahllosen Klein- und Mittelformate, in denen der Maler neue Themenkreise erprobte, etwa die christlichen Historienbilder ausgerechnet zur nächsten Revolutionszeit um 1848, dann die opulenten Blumenstillleben oder die wild bewegten Tierbilder mit Löwen und Tigern.

Kein Ahnherr der Moderne

Dazwischen aber liegt ein biografisches Ereignis von höchster Bedeutung: die mehrmonatige Orientreise nach Marokko und Algerien im Jahr 1832. Delacroix unterfütterte die französische Kolonialbegeisterung mit Darstellungen arabischen Lebens und Treibens, mit schönen Frauen und kampfeslustigen Männern, und noch sein allerletztes, hier gezeigtes Gemälde aus dem Todesjahr 1863 zeigt ein „Arabisches Lager“. In jenen Jahren, das sei betont, stellte der Künder des Realismus, Gustave Courbet, die Alltagswirklichkeit dar und es vollzog sich der Siegeszug der Fotografie, nicht zuletzt mit orientalischen Motiven wie den Pyramiden von Gizeh.

All das tut der Beliebtheit Delacroix’ keinen Abbruch, die Massen strömen herbei und in den Louvre sowieso. Nur die angestrebte Kanonisierung des Malers als Ahnherren der Moderne gelingt nicht. Eugène Delacroix blieb zeitlebens ein Künstler der romantischen Epoche.

Paris, Louvre, bis 23. Juli. Katalog 28 €.

Zur Startseite