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Kultur: Eulen nach Athen

Neuer Streit um den Parthenon-Fries: Gibt ihn London zurück?

Griechenlands Außenminister Georgios Papandreou erhielt gestern in der Downing Street höflichen, aber klaren Bescheid. Es sei Sache der Kulturminister, über die „Leihgabe“ des Parthenon-Frieses für die olympischen Spiele zu verhandeln. Man weiß allerdings, was Papandreou im Kulturministerium zu hören bekäme: Die 17 Pedimentfiguren, 52 Metopen und 58 weiteren Bruchstücke des Meisterwerks aus dem perikleischen Athen gehören dem Britischen Museum, einer unabhängigen Institution. Die Regierung könne da wenig tun.

Fragt man Museumsdirektor Neil MacGregor, könnte die Antwort nicht klarer sein: „Hände weg von unseren Marmorsteinen“, schrieb er in der „Sunday Times“. Das alles wäre nicht neu, hätten die Griechen im Kampf um ihr Nationalerbe nicht eine wichtige Propagandaschlacht gewonnen: Neuen Umfragen zufolge sind 73 Prozent der Briten für die Rückgabe der „Beutekunst“, die Lord Elgin, Botschafter bei der türkischen Besatzungsmacht in Konstantinopel, 1807 nach London schaffen ließ. Am prominentesten Ex-Außenminister Robin Cook: „Die Parthenon-Skulpturen gehören an den Parthenon. Dafür wurden sie gemeißelt“. Mit diesen Worten stellte er sich an die Spitze einer neuen Initiative „Marbles United“. Eine Werbeagentur lässt T-Shirts und Akropolispuzzle verteilen. Schon wird die Koalition von britischen Kulturidealisten und griechischen Nationalisten zur schicken Gesellschaftsbewegung.

Museumsdirektor McGregor ärgert, dass diese Idealisten sich ohne Sachkenntnis zu Handlangern des griechischen Wahlkampfs machen. Cook, der gerne wieder Außenminister wäre, spricht zum Beispiel von Elgins „Vandalismus“. Aber der Lord bezahlte die Summe von 39000 Pfund, tat sein Bestes, die Skulpturen nach London zu bringen, wo sie, als er aus Geldnot ans Britische Museum verkauft hatte, wesentlich besser bewahrt wurden als die in Athen verbliebenen Stücke.

Gerichte und Parlamentsausschüsse haben die Rechtmäßigkeit der Transaktion immer wieder bestätigt. Von „Vereinigung“ könne keine Rede sein – argumentiert MacGregor. 50 Prozent der Skulpturen sind unwiederbringlich verloren. Auch könne der Fries nie wieder am Parthenontempel montiert werden, er ist ja zur Ruine verkommen. Die Griechen haben ein Museum am Fuß der Akropolis gebaut – und damit wichtige byzantinische archäologische Quellen zerstört. Nun soll das Museum leer bleiben, bis der Parthenonfries vor Ort vereint ist.

Gestritten wird darum, welche Geschichte erzählt werden soll. „Marbles United“ will die auf dem Fries dargestellte Prozession wieder lesbar machen. Das Britische Museum will erzählen, wie sich die griechischen Bildhauerei aus der ägytischen, assyrischen und persischen Kunst entwickelt hat. MacGregor wirbt für das Konzept des „Weltmuseums“, das Kunst nicht in fragmentierte Nationalschubladen steckt, sondern die großen Kontexte herstellt.

Noch ein (paradoxes) Argument spricht für den Verbleib in London. Erst durch ihre Verfrachtung hierher wurden sie in den Kanon des Bildungsbürgertums erhoben. So haben sie nicht nur die moderne Griechenlandrezeption geprägt – sondern den europäischen Philhellenismus mitgeschaffen, dem das heutige Griechenland seine Entstehung verdankt. Im Britischen Museum, vor den Elgin Marbles, wurde Lord Byron zum griechischen Freiheitskämpfer.

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