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Bienenköniginnen. Eva-Maria Hagen (sitzend), Nina und Cosma-Shiva Hagen.

© Gunnar Geller

Eva-Maria, Nina und Cosma Shiva Hagen: Drei Damen und eine Biene

Die drei Hagen-Frauen haben die Biene Maja synchronisiert. Das hat gut geklappt. Überhaupt nicht funktioniert hat dagegen der Pressetermin. Zu dem Nina Hagen ihre Mutter und ihre Tochter glanzvoll versetzte.

Zuerst sind im Supermarkt knapp vor dem Kassenbereich die Biene-Maja-Backmischungen aufgetaucht. Zu haben in den Varianten „Schmetterlingsmuffins“ oder „Schoko-Vanille-Whoopie“, verziert mit den niedlichen Animationskonterfeis der von Waldemar Bonsels vor hundert Jahren erfundenen Kultbiene und ihren für die Zeichentrickserie der Siebziger hinzugefügten Freunden Drohne Willi und Grashüpfer Flip. Dann haben sie im Drogeriemarkt Produkte für die lieben Kleinen aufgebaut: Trinkflasche, Brotdose, Hörspiel, Bilderbuch, Bügelperlen. Und als Fruchtgummi gibt es „Biene Maja“ jetzt auch. „Veggie“ und „mit Blütenhonig“. Das möchte wohl sein. Wie Maja schmeckt? Seltsam, seltsam, nach Banane.

Nach eigenen Angaben hat die Münchner Produktionsfirma Studio 100 ihre „Biene Maja“, den Film zum flächendeckenden Merchandising, schon in mehr als hundert Länder vertickt. Am kommenden Donnerstag kommt er in die deutschen Kinos.

Welcher Geist in der von Generationen geliebten Neuauflage von Majas Abenteuern in der Klatschmohnwiese steckt, zeigen eindrucksvolle Zitate des Kreativteams. Produzent Patrick Elmendorff sagt: „Anstatt eines Projektansatzes verfolgen wir einen Brandansatz und investieren regelmäßig in Content.“ Das ist im Fall der Marke „Biene Maja“ nach der vergangenes Jahr im ZDF gestarteten Fernsehserie in 3-D-Computergrafik nun der Kinofilm. Studio 100 ist auf Kinderformate spezialisiert und legt populäre Serienhits der Siebziger wie „Heidi“, „Wickie und die starken Männer“ oder „Pippi Langstrumpf“ in neuer Optik neu auf und verwertet sie auch als Bühnenshow oder in den firmeneigenen Freizeitparks.

Es ist die erste gemeinsam Synchronarbeit der drei Hagens

Das in 40 Sprachen übersetzte Jugendbuch sei eine echte „Drei-Generationen- Marke“, ist der Produzent überzeugt. Da liegt es nahe, sich die Unterstützung einer im Synchrongewerbe tätigen Schauspieldynastie zu sichern. „Die Künstlerfamilie Hagen mit Eva-Maria, Nina und Cosma Shiva bildet diese drei Generationen perfekt ab“, sagt Elmendorff. Und nebenbei passen die widerborstigen Hagen-Damen auch zu Majas wie eh und je gegen die strenge Hierarchie im Bienenstock rebellierenden Geist. Es ist die erste gemeinsame Synchronarbeit der Schauspielerinnen, die bislang nur in einer von Otto Waalkes „Sieben Zwerge“- Komödien zusammengespielt haben.

Großer Promo-Auftrieb in einem Hotel in Hamburg. Fernsehen, Radio, Fotografen, Plüschbiene, alles da. Nur Nina Hagen nicht. „Verschollen auf der Autobahn“, heißt es. Die Zeit verstreicht, der Manager bedauert. Eine Alt-Punkerin wie sie zu domptieren, muss so aussichtslos sein wie Flöhe hüten. Oder Bienen. Gesumse auf den Gängen. Gerüchte säen Hoffnung. Sie zerstieben wie Pollen im Wind. Es bleibt noch für Stunden dabei: Ein Bermuda-Dreieck zwischen Berlin und Hamburg hat die Sängerin, die im Film markant Gunilla, die intrigante Beraterin der Bienenkönigin spricht, mitsamt hohen Hacken, Theaterschminke und toupierter Mähne verschluckt.

Also fängt das Gespräch mit satter Verspätung als Zwei-Generationen-Treffen an. Zweimal Hagen ist ja auch ganz schön. Zumal Großmutter Eva-Maria, 1934 in Költschen, Hinterpommern und Cosma Shiva, 1981 in Malibu, USA geboren, auch ganz unterschiedliche Charaktere sind. Selbst wenn sie beide Kleider und Schmuck im Ethnostil tragen.

Eva-Maria Hagen, das ist im Film die weise Bienenkönigin, der aufgrund der fiesen Machenschaften von Gunilla das lebenswichtige Futter Gelée Royale ausgeht. Früher war Hagen außer Schauspielerin, Sängerin, Malerin auch DDR-Filmstar und Wolf-Biermann-Gefährtin. 1977 folgte sie dem Ausgebürgerten in die Bundesrepublik. Dass sie eine gute Autorin ist, lässt sich anhand ihrer schönen Autobiografie „Eva jenseits vom Paradies“ nachlesen, die anlässlich ihres 80. Geburtstags am 19. Oktober wieder aufgelegt wurde. Mit der kleinen, frechen Biene Maja allerdings hat die große Dame bisher nie was zu tun gehabt, sagt sie. Sie kannte nur Karel Gotts Titellied, das auch in der DDR populär war.

Enkelin Cosma Shiva, die so wie die Großmutter in Hamburg lebt und dort neben Schauspiel- und Werbejobs eine Galerie im Schanzenviertel betreibt, ist ebenfalls kein Maja-Maniac. Dafür ist sie zu jung und im Schlepp der zwischen Deutschland, den USA und Indien mäandernden Musikermutter zu polyglott aufgewachsen. Im Film spricht Cosma Shiva die liebe Bienenlehrerin Kassandra, im Gespräch ist sie ganz schön pieksig. Die anlässlich der neuen Fernsehserie erregt geführte Diskussion um den stark verschlankten Körper von Maja verstünde sie überhaupt nicht, sagt die einst von einem Leutemagazin zur deutschen Schönheitskönigin gekürte Hagen, die auch schon mal für Unterwäsche modelt oder im „Playboy“ posiert. Das sei einfach eine moderne Adaption, kein Versuch, ein Model aus Maja zu machen. „Die soll halt nicht pummelig rüberkommen. Ich glaube nicht, dass jetzt Kinder hungern, weil Biene Maja dünner ist.“

"Dynastie ist ein Wort aus dem Raubtierkapitalismus", findet Nina Hagen

Bienenköniginnen. Eva-Maria Hagen (sitzend), Nina und Cosma-Shiva Hagen.
Bienenköniginnen. Eva-Maria Hagen (sitzend), Nina und Cosma-Shiva Hagen.

© Gunnar Geller

Und überhaupt gebe es bei der derzeitigen Weltlage wahrlich wichtigere Themen. „Man könnte fast denken, dass Nostradamus sich nur in der Jahreszahl geirrt hat. Der sagte doch, dass am 21.12.1012 die Welt untergeht und so viel, wie jetzt los ist – Israel, Ukraine, Ebola.“ Großmutter Eva-Maria Hagen schaut irritiert, als wollte sie sagen: Ebola? Wo liegt denn das? Dann bemerkt sie ihren Irrtum. „Ach ja, das ist ausgebrochen, ich dachte schon, dass sei ein Land.“ Auch sie ist besorgt um den Zustand der Welt. „Das überträgt sich auch auf uns, da möchte ich die anderen nicht stören.“ Überhaupt seien die drei Hagen-Frauen sehr eigenständige, nicht dauernd zusammenhängende Personen. Cosma Shiva nickt.

Und dann dauert es nicht lange, bis sich zwischen der zurückhaltenden Großmutter und der impulsiven Enkelin ein Dialog darüber entspinnt, ob es gut für die Künstlerkarriere ist, einen berühmten Namen zu tragen. Eva-Maria sagt ja, Cosma Shiva sagt nein, der klassische Generationenkonflikt. „Ich wollte das gar nicht, so schnell in der Öffentlichkeit stehen.“ Der Name habe aber auch Türen geöffnet, merkt Eva-Maria sanft an. „Aber auch Sachen verhindert“, sagt Cosma Shiva. Andererseits: „Wir haben als Familie eine super Freundschaft, auch wenn wir uns nicht so oft sehen.“

So langsam ist sie von Mutters Ausbleiben deutlich genervt. Sie schaut auf die Uhr, bricht den Satz ab, schaut auf den Flur, will endlich Auskunft, kehrt zurück, lenkt wieder ein, bricht endgültig ab. Dass könne ja nun nicht sein, dass sie ein Dreiergespräch zu zweit bestreiten müssten. Großmutter Eva-Maria beschwichtigt – vergeblich. Die Tür des in beruhigendem Braun getäfelten Konferenzzimmers knallt hinter Cosma Shiva ins Schloss. Dass Nina Hagen es erst Stunden später doch noch nach Hamburg schafft, kommentiert Eva-Maria lieber nicht. Sie ist eine gebrannte Mutter. Nina, die in ihrer christlichen Erweckungsbiografie „Bekenntnisse“ nicht eben zimperlich mit der Mutter umspringt, hat einst gegen deren Erinnerungsbuch „Evas schöne neue Welt“ einen Auslieferungsstopp erwirkt. Alles vergeben, verziehen, inzwischen singen sie längst wieder regelmäßig gemeinsam Brecht im Berliner Ensemble. Und dass Nina von Hamburg aus noch nach München reisen will, um eine auch durch ihren Einsatz entlassene Psychatriepatientin zu treffen, kommentiert sie schon: „Sie möchte nun mal die Welt retten.“

Wochen später: Nina Hagen, 1955 in Ost-Berlin geboren, kann es jetzt endlich einrichten, noch einige Fragen zu beantworten. Auch sie verbindet nichts mit der Biene Maja, nur mit dem singenden Tschechen Karel Gott. Warum dann ausgerechnet dieser Film zum Hagen-Familientreffen wurde? „Wir wurden gefragt.“ Davon, dass die Produktionsfirma die Künstlerdynastie als honigsüßen Lockstoff an der Kinokasse einsetzt, will sie nichts wissen. „Dynastie ist ein Wort aus dem Raubtierkapitalismus. Den Titel möchte ich nicht.“ Aber etwas anderes möchte sie unbedingt haben. Etwas mehr Fülle in ihrer Stirnhaarsträhne auf dem Porträtfoto mit den beiden anderen Hagen-Damen. Da könne man doch sicher per Photoshop noch was machen. Eigentlich schlägt man einer Diva ja nichts ab, aber da bleibt dann doch nur, vor dem nächsten Fototermin zu Extensions zu raten. Solche Sorgen hat Nina Hagens Figur in „Biene Maja“ übrigens nicht. Die garstige Gunilla trägt Dutt.

„Die Biene Maja“ startet am 11. September im Kino.

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