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Kultur: Expo 2000: Eurokultur

Kulturseiten? Liest doch keiner, sagten die Expo-Manager zu Tom Stromberg, dem Expo-Kulturchef.

Kulturseiten? Liest doch keiner, sagten die Expo-Manager zu Tom Stromberg, dem Expo-Kulturchef. Der hatte einige Mühe, den Wirtschaftsleuten verständlich zu machen, dass auch sein Programm den Expo-Ticketverkauf befördern kann. Kulturpolitik? Damit beschäftigen sich nicht mal die Feuilletonredakteure, schimpft Expo-Gast Michael Naumann und liest unsereins die Leviten, weil wir uns für die Beziehungsprobleme von Kunst und Geld nicht die Bohne interessieren. Der Kultur-Staatsminister sitzt auf Einladung der "World Association of Newspapers" am Expo-Eröffnungstag im Schwedischen Pavillon neben Stromberg und Viviane Reding, der EU-Kulturkommissarin - und er hat Recht. Wer außer den Brüsseler Experten kennt sich aus mit dem Kulturprogramm der EU? Wer nimmt den lächerlichen MEDIA-Etat von 167 Millionen Euro für ganze vier Jahre überhaupt zur Kenntnis? Keine 30 der circa 2000 sich gerade auf dem Expo-Gelände tummelnden Journalisten haben sich zur Diskussion über europäische Kulturpolitik eingefunden. Draußen, unter freiem Himmel, feiert die Welt. Drinnen, im Saal, liegt Europa im Clinch. Naumann pariert die Brüsseler Attacken auf die bundesdeutschen Kultursubventionen und die Fernsehgebühren; er verwahrt sich gegen den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung zugunsten der exception culturelle. Viviane Reding tut so, als habe es solche Attacken niemals gegeben, und geht auf Naumanns Warnungen vor der Zerstörung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und vor einer Monopolisierung der Kulturindustrie nicht weiter ein. Sie wirbt lieber für sich selbst als eine Brückenbauerin zwischen den bits und pieces, aus denen Europas Vielfalt bestehe. Für sie ist Kultur nur content: die Software fürs Audiovisuelle. Ansonsten hat sie wegen dringender Termine leider keine Zeit und eilt von dannen. Michael Naumann, der eigentlich auch längst weg muss, kämpft weiter, auf verlorenem Posten. Auch die Berichterstatterin sucht lieber das Weite und entdeckt auf dem Expo-Boulevard - dort, wo Kultur kein content ist, sondern Klang, Tanz, Schauspiel - Viviane Reding im Gefolge ihrer Brüsseler Crew. Schön, auch Frau Reding flaniert. Vielleicht nützt diese Selbsterfahrung einer Politikerin der exception culturelle am Ende ja mehr als alle bits und pieces europapolitischer Kulturkonferenzen.

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