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Kultur: Expo-Oper: Die Verlässlichkeit der Automaten

Der junge Johann Nepomuk Mälzel erlebt um 1790 in seinem Alltag schreckliche Dinge. Er beginnt, an der Menschlichkeit menschlichen Handelns zu zweifeln.

Der junge Johann Nepomuk Mälzel erlebt um 1790 in seinem Alltag schreckliche Dinge. Er beginnt, an der Menschlichkeit menschlichen Handelns zu zweifeln. Deshalb fasziniert ihn die Spieluhr, die ihm vorgeführt wird, denn wenigstens Automaten sind zuverlässig. Sie verhalten sich immer gleich - jedem gegenüber, in jeder Situation. Fortan entwickelt Mälzel selbst Automaten, darunter Musikinstrumente, tanzende Puppen und das unter Musikern berühmt-berüchtigte Zeitmessgerät namens Metronom.

Mit seinen Konstruktionen tritt Mälzel erfolgreich als Unterhaltungskünstler auf. Eines Tages jedoch erkennt er, dass die industrielle Verwendung von Maschinen zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen kann. Dies stürzt ihn in eine Lebenskrise. In den nächsten Jahren reist er zwar weiterhin durch die Welt, jedoch mit einem Automaten, der in Wahrheit ein Mensch ist, der einen Automaten bedient. Als dieser stirbt, trinkt sich Mälzel zu Tode.

Mit der Oper "Der Maschinist" von Hans Schanderl nach dem gleichnamigen Theaterstück von Lutz Hübner wurde die konkrete Auseinandersetzung mit dem Expo-Motto "Mensch Natur Technik" gesucht. Das Kulturprogramm des Deutschen Pavillons und das Theater Magdeburg haben auf diese Weise eine Uraufführung zu Stande gebracht, die Beachtung verdient. Denn der Autor hat die Geschichte der Technik und beginnenden Industrialisierung zum Spiegel der Gegenwart gemacht.

Hübners Sprache ist derart zugespitzt, dass der Text geradezu nach effektvoller Theatermusik giert. Und Hans Schanderl hat dem Text gegeben, was er zu verlangen scheint. Allerdings ist es nicht seine Sache, zwischen den Zeilen zu lesen. Schanderl neigt eher zum musikalischen Verstärken von bereits Gesagtem. Dabei ist ihm trotz seines illustrativen Ansatzes gelungen, filmmusikhafte Plattitüden weitgehend zu vermeiden. Geprägt wird Schanderls Musik vom minimalistischen Prinzip sich permanent verändernder Wiederholungen. So wird das Verrinnen der unwiederbringlichen Zeit sinnlich erfahrbar. Diese stark rhythmisch geprägten Passagen führt Schanderl immer wieder zu eindrucksvoll verdichteten Höhepunkten. Oder er setzt sie in Kontrast zu vielstimmig wuselnden Klangteppichen. Schade nur, dass sowohl Hübner als auch Schanderl nicht das rechte Gespür für eine stimmige Dramaturgie aufbringen. Zu viele gleichartige musikalische Verläufe. Und auch, wenn die Inszenierung des Magdeburger Intendanten Max K. Hoffmann nicht gerade von genialen Regieeinfällen strotzt, so zeigt sie doch, zu welchen Leistungen ein von Sparmaßnahmen gebeuteltes Haus fähig sein kann.

Neben dem vorzüglich disponierten Orchester unter Christian Ehwald fiel unter den Ensemble-Mitgliedern vor allem Roland Fenes auf. Dessen sängerische und schauspielerische Gestaltung des Maschinisten Mälzel zeigte diesen als einen Menschen, der in einer Welt der rasanten Veränderungen von deren Motor zu einem ihrer Opfer wird.

Reinald Hanke

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