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Kultur: Fahrt in den Tod

Gut gemeint: das Holocaust-Drama „Der letzte Zug“ von Joseph Vilsmaier und Dana Vávrová

Kalte Amtsstuben im fahlen Licht, knallende Stiefelabsätze und schnarrende Stimmen: Nur wenige Sekunden brauchen Bild und Ton, um jene Atmosphäre zu erzeugen, die im jüngeren und schlechteren deutschen Film für das nationalsozialistische Deutschland steht. Blonde, schmallippige männliche Schauspieler lassen als Nazis richtig die Sau raus, sind so fies, wie sie nur können, „böse sein“ scheint die Regieanweisung zu lauten, Differenziertheiten würden nur stören. So beginnt leider der mit sehr guter Absicht von Joseph Vilsmaier und Dana Vávrová inszenierte und von Artur Brauner produzierte Film „Der letzte Zug“. Der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus sind Vilsmaiers, der Holocaust Artur Brauners Lebensthema. Beider Anliegen sind ehrenwert. Aber muss man dafür wirklich jedes Klischee bedienen?

Der titelgebende letzte Zug fährt 1943 von Berlin nach Auschwitz mit mehreren hundert in Viehwaggons zusammengepferchten Juden. Dieser Transport ist historisch verbürgt, fiktiv sind die Ereignisse, die sich in einem der Wagen abspielen. Unter den etwa hundert Menschen, die es miteinander in der drangvollen Enge aushalten müssen, befinden sich ein ehemaliger Boxer (Gedeon Burkhard) mit Frau und zwei kleinen Kindern, ein junger Juwelier und seine Verlobte Ruth (Sibel Kekilli), ein alter Sänger und seine Lebensgefährtin, eine Pianistin. Mutig oder verzagt, defätistisch, hoffnungsvoll oder schicksalsergeben fahren die unfreiwilligen Passagiere ihrem Tod entgegen, entwickeln Strategien, um mit den sich von Stunde zu Stunde verschlechternden Bedingungen im Wagen umzugehen. Neben der Enge setzen ihnen Hitze, Durst, Hunger und Sauerstoffmangel zu, und es wird klar, dass der Vernichtungsplan der Nationalsozialisten mit dem Transport anfängt. Einige Männer schmieden Fluchtpläne, schließlich gelingt es ihnen, mit eingeschmuggeltem Werkzeug ein Loch in den Bretterboden zu hauen, aber es ist klein, und die Zeit reicht nicht mehr, es zu vergrößern.

Vilsmaier/Vávrovás Inszenierung des Infernos beschränkt sich fast ausschließlich auf Innenraumszenen, und es gelingt ihm, die fürchterliche Beengtheit so eindrücklich zu inszenieren, dass sie für seine Zuschauer physisch spürbar wird. In dieser Beschränkung liegt eine Stärke des Films. Leider konterkarieren die Regisseure sie durch rührselige, weich gezeichnete Rückblenden aus glücklicheren Zeiten, in denen auf sonnenbeschienenen Wiesen pathetische Liebeserklärungen gemacht werden. Die Absicht ist klar: 120 Minuten nichts als Enge wollte man – trotz der zum Teil sogar subtilen Leistungen des mit Bedacht ausgewählten Schauspielerensembles – dem Kinopublikum nicht zumuten. Aber gelegentlich hat man den Eindruck, dass Joseph Vilsmaier dazu neigt, es zu unterschätzen.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar Hellersdorf, UCI Colosseum, Zoo Palast

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