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Kultur: "Falco meets Amadeus": "Für Falco war der Schmerz Bedingung seines Erfolgs" - Burkhard Driest im Gespräch

Burkhard Driest (51) sorgte 1974 mit seinem Debütroman "Die Verrohung des Franz Blum" für eine literarische Überraschung. Darin schilderte der 1965 wegen eines bewaffneten Raubüberfalls inhaftierte Jura-Student seine eigenen Erfahrungen.

Burkhard Driest (51) sorgte 1974 mit seinem Debütroman "Die Verrohung des Franz Blum" für eine literarische Überraschung. Darin schilderte der 1965 wegen eines bewaffneten Raubüberfalls inhaftierte Jura-Student seine eigenen Erfahrungen. Das Buch, das von Reinhard Hauff verfilmt wurde, ebnete ihm eine Karriere als Drehbuchautor ("Zündschnüre", "Paule Pauländer", "Bluthochzeit" und andere) und Schauspieler. So trat er unter anderem im Kriegsfilm Auch schlossen sich Auftritte als Schauspieler in zahlreichen TV- und Kinofilmen an, unter anderem in "Steiner - Das eiserne Kreuz" und in Fassbinders Genet-Verfilmung "Querelle" auf. "Falco meets Amadeus" ist das erste Musical aus seiner Feder. Driest Mit "Annas Mutter" griff Driest 1983 den Fall Bachmeier auf, den er auch selbst verfilmte. Für Furore sorgte das von Peter Zadek mit den Einstürzenden Neubauten inszenierte Rockmusical "Andi", für das Driest das Buch geschrieben hatte. Der Autor lebt in Dublin und arbeitet an seinem dritten Roman.

Herr Driest, Sie haben ein Musical über den vor zwei Jahren verstorbenen Popmusiker Falco geschrieben. Darin begegnet er Mozart. Was hat sie an dem Stoff gereizt

"Was ist der Unterschied zwischen einem Künstler und einem Bohémien?", hat Oscar Wilde einmal gefragt. Der Künstler ist langweilig und seine Kunst ist aufregend. Beim Bohémien verhält es sich genau umgekehrt. Der Bohémien ist aufregend und seine Kunst ist langweilig: ein brillianter, mitreißender Scharlatan.

Hat Falco Mozart bewundert?

Seine Mutter hat mir erzählt, dass ihr Sohn bereits mit 3 Jahren Mozart-Melodien gesungen hat. Das bewog mich, Mozart in das Stück zu integrieren, um Falco einen inneren Dialog mit ihm führen zu lassen.

Als seinem unerreichbaren Ideal?

Irgendwen braucht man doch als geistigen Bruder. An den man sich wenden kann, zu dem man auf derselben Verständnisebene spricht, der einen belehrt. Für einen ehrgeizigen Sänger wie Falco war das der Übermusiker Mozart.

Interessant, dass sie an einen Bruder denken. Für gewöhnlich ist es der Vater, der einen belehrt.

Mit dem Vater verbinde ich etwas anderes. Ich bin 1939 geboren. Mein Vater war Nazi, er hängt dem, glaube ich, heute noch an. In der deutschen Kultur erlebt man den Vater vor allem als kalte, autoritäre Instanz. Er benutzt seine körperliche Überlegenheit, seinen Erfahrungsvorsprung und seine Dominanz, um bestimmend zu sein.

Falco wuchs ohne Vater auf. War die Musik für ihn ein Weg, die traurige Kindheit zu vergessen?

Der Schmerz war Bedingung seines Erfolges, denn er wollte perfekt sein. Das kränkte ihn natürlich, weil er seinen Ansprüchen nicht genügen konnte. Im Studio gab er nicht eher auf, bis er das optimale Resultat erzielt hatte. Der Tonmeister war entnervt, die Musiker erschöpft, aber er ließ nicht nach. Es sah aus, als würde Falco um Anerkennung kämpfen. Aber dahinter verbarg sich der Wunsch, geliebt zu werden. Doch man liebt perfekte Leute nicht.

Falco verunglückte mit seinem Auto in der Dominikanischen Republik. In einem seiner letzten Songs sang er: "Muss ich erst sterben, damit ich lebe?"

Das klingt wie ein Paradox. Aber es ist wohl so gemeint, dass er loslassen musste, bevor er glaubte, leben zu dürfen. Wenn ein von der Mutter verletztes Kind mit zunehmendem Alter seine Umgebung zu malträtieren beginnt, dann deshalb, weil es sie um Hilfe angeht. Aber niemand will ihm helfen. Es müsste davon ablassen, doch was es erwartet, ist ein Tal der Leiden: Es müsste hinnehmen, ungeliebt, einsam und bedeutungslos zu sein. Das ist der Horror.

Kennen Sie diesen Horror?

Man kann gar nicht genug lächeln, charmant oder erfolgreich sein, um sich das Maß an Liebe zu verschaffen, das man sich wünscht. Man bekommt Gesichtsverzerrungen.

Sie haben eine wechselvolle Karriere als Schauspieler und Drehbuchautor hinter sich. Ist Ihnen Erfolg gleichgültig geworden?

Ja eben nicht. Sonst würde ich hier nicht sitzen. Es gibt gewiss erfüllendere Dinge, als ein Musical zu schreiben.

Sie gelten als Raubein und Macho, die "Emma" beschimpfte sie als "dampfenden Hirsch". Wollen Sie geliebt werden?

Früher wollte ich das nicht zugeben, weil ich meine Abhängigkeit eingestanden hätte. Es war leichter, sie über den Hass zu formulieren. Ich glaubte, stärker und freier zu wirken, wenn ich meine Umgebung verachtete.

Was hat Sie als Jugendlicher bewogen, sich eine Strumpfmaske über das Gesicht zu ziehen und eine Bank zu überfallen?

Das musste sein. Ich konnte nicht an einer Bank vorbei gehen, ohne einen Anfall zu kriegen. Ich lebte in einer sehr komplexen Fantasiewelt. Es war der einzige Ausweg, schwer lösbare innere Spannungen abzubauen. Drei Wochen, bevor ich mein mündliches Jura-Examen ablegen sollte, behauptete jemand, dass es sehr unvernünftig sei, jetzt noch eine Bank zu überfallen. Da tat ich es erst recht.

Waren Sie nicht viel zu intelligent für eine kriminelle Karriere?

Natürlich. Aber ich hoffte, in der Kriminalität ein intensiveres Leben zu finden. Ich dachte, wenn mir die bürgerliche Welt die Türen zuschlägt, so what, dann nehme ich eine Einladung woandershin an. Wie langweilig auch das war, bemerkte ich erst später. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie öde eine Unterhaltung zwischen Gangstern ist. Die ritualisieren Normen. Es ärgerte mich, dass ich dem stundenlang zuhören sollte. Der schönere Platz wäre bestimmt auf dem Campus gewesen. Mit jungen, intelligenten, erotischen Leuten.

Haben Sie Ihr Leben verpfuscht?

Ich musste mich jedenfalls sehr anstrengen, um die Dinge wieder hinzubiegen. Ich war zu erfahren, um nicht zu wissen, in welchen gesellschaftlichen Positionen das Leben wirklich angenehm ist - im Großbürgertum. Die Jungs haben alles, teilen alles und teilen auch alles mit. Seitdem ich in Irland lebe und nur gelegentlich nach Berlin komme, fallen mir die ausgewählten Liebenswürdigkeiten auf, die Deutschland früher gar nicht kannte. Die Leute waren nicht so wie hier, im Kempinski: nett. Man wusste sehr genau, wer Landrat war und wer nicht. Erst kürzlich traf ich einen älteren Herrn im Hallenbad meines Hotels. Ich schwamm meine Bahnen. Und da ich früher mal niedersächsischer Jugendmeister war, schwimme ich sehr gut. Er geriet mir dazwischen. Er konnte nicht ertragen, dass da jemand den Pool immer wieder in der Mitte schnitt. Als er mir beim nächsten Mal erneut in die Quere kam, habe ich ihn getaucht.

Sie haben Ihn unter Wasser gedrückt?

Ja. Und er hat geschrien. Nach dem Herrn Direktor. Die alte Welt. Niemand ist gekommen.

Herr Driest[Sie haben ein Musical über den v]

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