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Kultur: Falladas Bruder

80 Jahre und über 30 Bestseller: ein Geburtstagsgruß an J.M. Simmel von Roland Klick

Zum ersten Mal habe ich ihn 1975 in Monte Carlo getroffen, und wir sind schnell Freunde geworden. Ich habe Johannes Mario Simmel als jemanden kennen gelernt, der nicht laviert, sondern sich klar zu einer Sache stellt. Daraus wuchs die Herzlichkeit, die ich für ihn empfinde. Wie kamen wir zusammen? Curd Jürgens hatte die Stoffrechte an „Lieb Vaterland magst ruhig sein“ gekauft, in der Vorstellung, dass er selbst die Hauptrolle spielt, das Drehbuch schreibt und Regie führt. Er besaß die Rechte für zwölf Jahre, es wollte ihm aber kein Skript gelingen, das Simmel akzeptierte. Nach zehn Jahren kam die Produktionsgesellschaft Constantin zu mir und sagte: Schreib ein Drehbuch. Ich habe 198 Personen auf 25 gekürzt. Simmel hatte ein Mitspracherecht, mir aber zu verstehen gegeben, dass er es nicht exzessiv nutzen würde. Unser Verhältnis zueinander spielte eine große Rolle, weil wir einen Produzenten hatten, der noch nie einen Film produziert hatte. Er warf das Geld aus dem Fenster hinaus, und weil der Etat auf diese Weise ständig schrumpfte, musste ich mein Drehbuch immer wieder umschreiben. Nach der xten Korrektur wurde allen klar: Der Produzent ist nicht mehr tragbar. In dieser Situation war Simmel toll. Er erklärte: Wenn Klick den Film nicht macht, verlängere ich die Rechte nicht. Dadurch hatten wir alle Trümpfe in der Hand, und ich brachte Bernd Eichinger ins Spiel, der damit seinen ersten großen Spielfilm produzierte.

Trotz dieser Einigkeit unterscheidet Simmel und mich einiges. Ich kann eigentlich nur von Dingen erzählen, die ich erlebt habe. Simmel hingegen geht auch entlegene Geschichten an, weist aber darauf hin, dass er sie sorgfältig recherchiert hat und mit dem Herzen empfindet. Außerdem ist Simmel ein Moralist, folgt dem Gut-Böse-Schema. Das macht sicher seinen Erfolg aus. Für mich ist diese Einteilung der Welt nicht so überzeugend – auch nicht in meinem eigenen Leben: Da sehe ich die herrlichsten Menschen stolpern. So habe ich ein Ethos, das mich lehrt, alle Menschen zu lieben, die in einem Film vorkommen. Ich bemühe mich, der Anwalt jeder Figur zu sein. Das Interessante ist, dass Simmel diese Haltung nicht torpediert hat. Er ist ein ausgesprochen konzilianter und treuer Mensch.

Ich finde es erstaunlich, dass jemand sein Leben so konsequent in den Dienst der guten Absicht stellt – nicht nur in seiner Literatur. Zudem ist er ein Naturalist, und auch das ist in Deutschland selten. Viel hat er geschrieben, viel Verehrung erfahren, manche Ablehnung auch wie alle wirklich Vorhandenen. Es fällt schwer, sich diesen Bruder Hans Falladas aus der deutschen Nachkriegsgeschichte wegzudenken. Wer lange genug in der Kampfzone lebt, begreift, dass letztlich nur die Liebe zählt. Das schreibt er, lebt es, drückt es in Taten aus. Johannes Mario – ein Mensch. Happy birthday to ya!

Der Filmregisseur Roland Klick hat 1976 mit großem Erfolg den Simmel-Roman „Lieb Vaterland magst ruhig sein“ verfilmt.

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