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Kultur: Familie D. im Belagerungszustand

„Auf Teufel komm raus“ beobachtet einen Sexualstraftäter auf freiem Fuß

„Achtung Kinderschänder, nach 400 Metern rechts!“ steht auf dem großen Schild an der Straße. Daneben eine Gruppe grimmig dreinschauender Leute mit Pfeifen und Plakaten. Im Haus gegenüber stehen hinter der Jalousie zwei Männer mit Fernrohr und Teleobjektiv. Es sind der zwei Mal wegen Vergewaltigung verurteilte Karl D. und sein Bruder Helmut, der den nach fast 15 Jahren aus der Haft Entlassenen bei sich aufnahm. Familie D. versucht, trotz der Belagerung durch Protestler und Medien und Polizeiüberwachung ein einigermaßen normales Leben zu führen.

Die Münchener Filmstudentinnen Mareille Klein und Julie Kreuzer begleiteten den Konflikt über Jahre: Während Familie D. gegen den drohenden Entzug des Sorgerechts für ihren Sohn kämpft und für Karl wichtige Grundsatzurteile zur Sicherungsverwahrung anstehen, spaltet sich von der Protesttruppe eine Fraktion ab, die den Kontakt zu Helmut D. aufnehmen will. Interessanterweise sind es die Frauen, die in ihrem Leben selbst sexuelle Gewalt erfahren haben und jetzt neben der Wiederkehr der verdrängten Erinnerung auch mit Schuldgefühlen kämpfen: Denn die von ihnen nie angezeigten Täter leben immer noch straflos neben ihnen. Diese ehemaligen Opfer sind die einzigen, die sich ernsthaft mit der Situation auseinandersetzen. Dafür werden sie vom Rest der Truppe gemobbt. Auch die Filmemacherinnnen gerieten unter Druck, sich zwischen den Fronten zu positionieren. Dem hielten sie stand, erlagen dafür der Versuchung, die ihnen von einigen Beteiligten gewährte Nähe zu missbrauchen. Völlig unverständlich etwa, was die detaillierte Schilderung einer früheren Vergewaltigung durch das Opfer soll. Dennoch bleibt „Auf Teufel komm raus“ ein aufschlussreicher Film zu einem Thema, das durch das jüngste Verfassungsgerichtsurteil neue Aktualität gewonnen hat. Silvia Hallensleben

fsk

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