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Kultur: Fantasy & Fantasie

Jan SchulzOjala über den Oscar-Triumph des „Herrn der Ringe“ Für Peter Jackson, den obersten Dienstherrn der Ringe, ist diese Oscar-Nacht ein Triumph – und Triumphe wollen und sollen gefeiert werden. Doch die elf Oscars, historisch einmaliger Durchmarsch nach elf Nominierungen, haben auch etwas von einer Wiedergutmachungsaktion – und wenn deren Beteiligte zur reuigen Tat schreiten, so riecht das meist streng nach Pflichtübung.

Jan SchulzOjala über den

Oscar-Triumph des „Herrn der Ringe“

Für Peter Jackson, den obersten Dienstherrn der Ringe, ist diese Oscar-Nacht ein Triumph – und Triumphe wollen und sollen gefeiert werden. Doch die elf Oscars, historisch einmaliger Durchmarsch nach elf Nominierungen, haben auch etwas von einer Wiedergutmachungsaktion – und wenn deren Beteiligte zur reuigen Tat schreiten, so riecht das meist streng nach Pflichtübung. Wohl auch deshalb verliehen gestern selbst begeisterungsfähigste Beobachter und sogar Hollywood stets gewogene Branchendienste wie „blickpunkt:film“ der 76. Oscar-Gala das Prädikat „denkbar langweilig“.

Denn anders als vor sechs Jahren bei „Titanic“, dem nach „Ben Hur“ erst zweiten Elf-Oscar-Erfolg in der Geschichte der Academy, galt der Goldsegen für „Die Rückkehr des Königs“ nicht einer einzigen, zu einem Film gewordenen Vision, sondern nur mehr dem Schlussstück einer Trilogie. Da bleibt kaum Raum für Enthusiasmus, eher für Respekt angesichts eines wundersam stabilen Ausnahme-Erfolgs. Drei Jahre lang beherrschten die „Ringe“ das Weltkino-Weihnachtsgeschäft, mit stets gleichem Ergebnis: rund 100 Millionen verkaufte Tickets, davon jeweils zehn Millionen in Deutschland, und die Budgetkosten je zehnfach eingespielt. Chapeau!

Fantasy, die Gelddruckmaschine unter den Genres, hat mit den „Ringen“ erstmals die Jahreshauptversammlung des amerikanischen Filmwesens erobert – aber ob damit zugleich der Fantasie, wie Regisseur Peter Jackson im Freudenüberschwang andeutete, endlich ein Podest errichtet wurde? Fantasie, dear Peter, ist das Ausgangsmaterial aller Kunst, Rohstoff jedes guten Films – Zauberkraft auch von „Master and Commander“, „Mystic River“, „Lost in Translation“ und wie die auf den hinteren Plätzen gelandeten Konkurrenten noch heißen mögen. Fantasy dagegen ist ein neuzeitlicher, technisch aufwändiger und in der Detail-Verfertigung gewiss nicht ganz monotoniefreier Special-Nebeneffekt der Fantasie. Kein Wunder, dass „Der Herr der Ringe“ in der handwerklichen Disziplin der Spezialeffekte drei Jahre in Folge bei den Oscars zu glänzen verstand.

Sonst noch was? Überraschungen gar? Nicht eigentlich. Die Tränen, die Charlize Theron vergoss? Eine Sensation allenfalls, wenn eine andere an ihrer Statt hätte weinen dürfen. Sean Penns brave Dankesrede? Nach der Standing Ovation im Auditorium, die sonst eher Lebenswerk-Gepriesenen zuteil wird, wäre eine ruppige Anti-Bush-Suada eher unpassend erschienen. Und überhaupt, der Rummel um die um fünf Sekunden zeitversetzte Ausstrahlung, Spätfolge des „Nipplegate“-Bebens? Wozu Zensur, möchte man zurückfragen, wenn die Selbstzensur eines Vereins, der nach Jahren der Verstörung zum Glamour zurückfindet, so wunderbar funktioniert?

Doch lassen wir das. Lösen wir beherzt unser letztes Ticket ins Auenland. Einmal im Leben darf jeder mal ein Hobbit sein, zumindest zum lieben langen „Ringe“-Happyend. Harmlos bis auf die Knochen. Und, seien wir ehrlich, auch irgendwie erleichtert. Wie tönte doch Cate Blanchett am Ende der Trilogie so schön? „Die Macht der drei Ringe hat ein Ende. Die Zeit ist gekommen für die Herrschaft der Menschen.“

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