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Kultur: Fast nichts satt

Wols im Kabinett der Neuen Nationalgalerie.

So fein sind diese Miniaturen von Wols, dass die Besucher auf engem Raum eintauchen in ein ganzes Universum. In der Neuen Nationalgalerie würdigt eine Kabinettausstellung mit Druckgrafiken diesen Grenzgänger zwischen den Kriegen, den Ländern und den Stilen zu seinem 100. Geburtstag. Die filigranen Kaltnadelradierungen gelangten als Schenkung von Wols’ Freund Heinz Trökes in den Besitz des Kupferstichkabinetts. Alfred Otto Wolfgang Schulze, 1913 in Berlin geboren, als Fotograf ausgebildet, lernte in Paris die Surrealisten kennen. In Deutschland verweigerte er den Kriegsdienst, in Frankreich wurde er interniert, floh und suchte später im Tachismus die Freiheit.

Auf lindhellem Grund, in dunklen Holzrahmen wirken die winzigen Abzüge auf Japanpapier fragil wie die Fantasiewelt, die sie entstehen lassen. Mit hauchzarten Linien deutet Wols bizarre Biotope an, so sparsam, dass die „Käferfrucht“, die „Distel“ oder die „Baumstadt“ fast wieder verblassen. Furchtlos sät er drei Vignetten über die freie Fläche, lässt sie autark bestehen, wie Keimlinge in der Wüste. Manchmal verdichten sich die Linien zu geballten Energiezentren. Bei einem Schiff bauschen die Windkräfte das Segel. Oder das Universum implodiert zu einem hellen Fleck. Das Auge kann sich an der Kargheit kaum sattsehen. Die Einraumausstellung beweist, dass manchmal fast nichts mehr als genug ist.Simone Reber

Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, bis 8.9.; Di, Mi, Fr 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr

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