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Kultur: Faust, zerrissen

Ein Porträt des Komponisten Hanns Eisler.

Im Jahr seines 50. Todestags ist das Werk von Hanns Eisler nicht sehr lebendig. In Berlin ist er vor allem als Namensgeber der Musikhochschule präsent. Die Wende hat nicht nur seine berühmteste Komposition, die Nationalhymne der DDR, beschädigt, sondern seine kommunistische Überzeugung posthum infrage gestellt. Zum Glück verzichtet Friederike Wißmann in ihrer Biografie auf forcierte Aktualisierungen wie auf postideologische Überheblichkeit. Nüchtern bezeichnet sie Eisler einerseits als „gestrandeten Vermittler zwischen Avantgarde und Massengeschmack“, andererseits lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie seine immer politisch engagierte Musik für bedeutend hält.

Ungewöhnlich ist der Aufbau des Buchs: Fast jedes der 14 Kapitel beginnt mit farbig-anschaulichen Beschreibungen von zum Teil wenig bekannten Kompositionen, erst dann folgen Informationen über Zeitgeschichte und Lebenslauf. So entsteht das Bild des Künstlers ganz aus der Charakterisierung seiner Musik. Natürlich ist diese bei Eisler immer ganz unmittelbar mit den Lebensetappen verknüpft, in denen sie entstand: Mit den politischen Auseinandersetzungen im Berlin der 20er und frühen 30er Jahre, der mutig angenommenen Herausforderung der Emigration, den Hoffnungen und Enttäuschungen in der DDR. Bittere Ironie der Geschichte, dass Eisler nach dem Krieg erst von den Verhören vor dem McCarthy-Ausschuss aus dem Land getrieben wurde und einige Jahre später von der DDR-Kulturpolitik daran gehindert wurde, sein eigenes „Faustus“-Libretto zu vertonen. Ein übrigens offenbar lupenrein sozialistischer Text, in dem Eisler lediglich den „Fehler“ beging, die als Nationalheld vorgesehene Faustfigur allzu widersprüchlich zu zeichnen.

Gegenüber den politischen Zusammenhängen tritt das Persönliche deutlich zurück, etwa die Ehen und Liebesaffären des Komponisten. Ohnehin rechnete Eisler das Erotische nicht zu seinen Inspirationsquellen, wie man erfährt; ob dies seiner berüchtigt spröden Musik immer gut bekam, ist eine der offenen Fragen, die die Biografin zur Diskussion stellt. Nach Lektüre dieses in jeder Hinsicht interessanten Buches hat man jedenfalls Lust, Hanns Eislers Lieder, seine Film- und Kammermusiken mit neuen Ohren zu hören.

Friederike Wißmann: Hanns Eisler. Komponist, Welt-

bürger, Revolutionär.

Vorwort Peter Hamm. Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, München 2012. 304 Seiten, 19,90 €.

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