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Faustin Linyekula.

©  Agatha Poupeney

Faustin Linyekula: Zwischen Wahn und Traum

Reise in den Kongo: Der Choreograf Faustin Linyekula kommt mit „Drums and Digging“ nach Berlin. Ein Porträt.

Von Sandra Luzina

Um Faustin Linyekula reißen sich alle. Der kongolesische Choreograf ist auf den großen internationalen Festivals vertreten und war mit „Sur les traces de Dinozord“ auch zu den Berliner „Foreign Affairs“ eingeladen. Jetzt kommt er zum „Tanz im August“ mit der neuen Produktion „Drums and Digging“, die im Juli beim Theaterfestival in Avignon zu sehen war. Linyekula begibt sich in diesem Stück auf eine theatrale Reise in die kongolesische Vergangenheit. Und streift dabei durch Gefilde von Wahn und Traum.

Der ehemalige Frankreich-Exilant lebt seit 2001 wieder in seinem Heimatland. Er hat dort die Studios Kabako gegründet, ein Labor für Recherche, Ausbildung und Produktion. In seinen Arbeiten reflektiert er die Folgen von Krieg, Korruption und Terror. Doch Linyekula sieht sich auch als Geschichtenerzähler. In „Drums and Digging“ spinnt er den Erzählfaden weiter, der mit „Sur les traces de Dinozord“ begann. „Ich bin es wieder, Kabako“, sagt er zu Beginn, wo er sich die Identität seines verstorbenen Freundes Kabako leiht. Aber was gibt es über den Kongo noch zu sagen? „Wir erzählen immer dieselben Geschichten“, sagt er, „von Menschen, die versuchen zu überleben. Das will ich nicht mehr. Es tötet etwas in mir.“

Auf der Suche nach anderen Erzählungen begab er sich nach Obilo, das Dorf seiner Kindheit, wo er seine ersten Tanzerfahrungen gemacht hat. „Als ich dort war, stellte ich fest, dass der größte Percussionlehrer inzwischen ein Priester der anglikanischen Kirche ist“, erzählt Linyekula. „Er darf nicht mehr spielen. Also haben wir einen seiner Schüler gebeten. Der Meister kam zu der Zeremonie und hat ihn mit den Worten angespornt: ,Dig that drum’“. Im Stück sind zwar nur aufgezeichnete Trommelklänge zu hören, doch auch sie feuern die Tänzer an. Eine weitere Station war Gbadolite, Heimatdorf des ehemaligen Machthabers Mobutu. Der Marschall mit der Leopardenfellmütze ließ hier Paläste und einen Flughafen bauen, auf dem die Concorde landen sollte. „Der verrückteste Traum des Kongo“, kommentiert Linyekula den Größenwahnsinn des gestürzten Diktators. Wenn im Stück von diesem Palast der Träume erzählt wird, klingt das wie ein finsteres Märchen.

In „Drums and Digging“ sind von den Träumen nur Ruinen geblieben. Doch das Stück ist der Versuch, der Schwerkraft zu entkommen und Leichtigkeit zu finden. Die Darsteller bilden einen Kreis, singen und tanzen sich in Ekstase. Linyekula selbst kurvt in schwarzem Kleid wie ein Derwisch über die Bühne. Er bewegt sich zwischen zwei Welten – eine Spannung, die sich seinem Werk eingeschrieben hat. „Um im Kongo arbeiten zu können, müssen wir in Europa gastieren und Geld verdienen“, erzählt er. Seine Arbeiten stellen immer auch die Frage, wie Europäer auf Afrika schauen – auch das macht sie so radikal.

Die politische und ökonomische Situation im Kongo ist fragil. In der Solidarität mit anderen findet Linyekula die Kraft, durchzuhalten. In den Studios Kabako ist Träumen noch möglich. Doch ab und zu muss er einfach raus, frische Luft atmen. „Im Kongo habe ich heute die Position eines Meisters. Eine Diskussion auf Augenhöhe ist da schwierig“, meint Linyekula. Und seufzt: „Ich will doch kein zweiter Mobutu werden!“ Sandra Luzina

„Drums and Digging“, 16. und 17. August, 21 Uhr, HAU 1

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