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Foto: dpa-bildfunk

© picture alliance / dpa

Kultur: Feine Linie

Dem Filmregisseur Terrence Malick zum 70.

Er ist eine mythische Figur des Kinos, er hat sich unsichtbar gemacht über Jahrzehnte, Interviews gewährt er sowieso keine – mit anderen Worten: Gibt es ihn überhaupt? Ja, heißt die schüchterne Antwort: Schließlich wird der öffentlichkeitsscheue Terrence Malick, mindestens so berühmt wie J. D. Salinger und fast so unsichtbar wie der Graffiti-Artist Banksy, heute nachweislich 70 Jahre alt.

Andererseits: Wen gibt es schon, welchem Menschlein gelingt es, sich ernstlich in die Rinde des ewigen Lebensbaumes einzukritzeln? So könnte Terrence Malick fragen, der durchaus Personen vorkommen lässt in seinen Filmen, sogar in seinen jüngsten – aber sind sie mehr als Statisten im Schoße von Übermutter Natur, die bestenfalls einem metaglobalen Herumorakeln ihre Off-Stimme leihen?

Sechs Filme hat Malick, neben dem sogar Stanley Kubrick wie ein besessener Vielfilmer wirkt, in 40 Jahren gedreht, und jeder ist ein Ereignis, an dem sich die Geister entzünden oder scheiden. Seit „The New World“ (2005) und erst recht „The Tree of Life“ (2011) und dem schwindelerregend flink folgenden „To the Wonder“ (2012) gehen die Neigungen heftig auseinander: Die einen halten dem Heidegger-Schüler und abgebrochenen Philosophie-Doktoranden tapfer die Treue, während die Abtrünnigen sich mit Vergnügen als Eso-Verächter schelten lassen. Gewaltig aber sind seine filmischen Vorhaben allemal, und das weiß jeder zu schätzen, der das Kino liebt: Kurzspringer gibt es auch in dieser Branche zur Genüge. Mit „Badlands“, da war er gerade 29 Jahre jung, begründete Malick, der zunächst als Journalist arbeitete und eine Zeit lang an den Drehbüchern anderer herumdoktorte, seine Legende als Regisseur. Das wuchtige Debüt um einen Outlaw (Martin Sheen), der seinem Liebchen (Sissy Spacek) den bösen Vater totschießt und sich dann, um das Zweierglück zu bewahren, durchs Land mordet, wirkt auch beim Wiedersehen unerhört zeitlos. Keine Helden sind die beiden, sondern ins Erwachsensein gefallene Kinder, die Rollen ausprobieren – bis zum bitterschrillen Ende.

Bereits in „Badlands“ (1973) setzt die Natur den Ton; sie taugt für den Bau von Baumhäusern und für wilde Autofahrten querfeldein, und die Menschenkinder verursachen ihr nicht mal einen Kratzer. Ein paar Jahre später wird Malick, womit er seine Produzenten zur Verzweiflung bringt, „Days of Heaven“ ausschließlich an Tagesrändern drehen, des besonderen Lichtes wegen. Und „The Thin Red Line“, womit er 1998 triumphal ins Kino zurückkehrt, ist zwar ein (Pazifik-)Kriegsfilm, vor allem aber eine Meditation über die trügerisch schöne Natur, die den Soldaten zart ihr Grab bereitet. Die Front mag zwischen den Amerikanern und den Japanern verlaufen, die schmale rote Linie aber ist jene zwischen Leben und Tod.

Doch halt, hier wird Geburtstag gefeiert! Also geht ein Salutschuss, mit Schalldämpfer natürlich, Richtung Austin/Texas, wo Terrence Malick in aller Stille, doch fernab altersgemäßen Bilanzierens lebt. Dort soll er derzeit gleich drei neue Filme fertigstellen, darunter eine Meditation über das Show-Business und ein doppeltes Dreiecksliebesverwirrungsdrama. Wir Pilger sind schon unterwegs. Jan Schulz-Ojala

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