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Kultur: Feinschliff

entdeckt Schraubendreher, Rasierpinsel und neue Nationen Den Anstoß gab ein Umzug. Wie jeder andere sichtete der Künstler Hermann Pitz im Atelier zunächst seine Bestände.

entdeckt Schraubendreher, Rasierpinsel und neue Nationen Den Anstoß gab ein Umzug. Wie jeder andere sichtete der Künstler Hermann Pitz im Atelier zunächst seine Bestände. Fasziniert vom Sammelsurium legte er eine Inventarliste an, die schließlich zur Grundlage für die Installation und das Buch „Werkzeuge aus Düsseldorf“ wurde. In der Galerie Barbara Wien (Linienstraße 158, bis 15. September) zeigt Pitz nun Fotos der nummerierten und ordentlich aufgereihten Zangen, Glasschaber und Feinschliffmaschinen. 787 Einzelposten, deren Geschichte im dazugehörigen Buch – stets in der dritten Person – erzählt wird (24 laminierte Fotos, 15000 Euro). So ist nicht nur ein hinreißendes Kunstwerk über die Welt der Dinge entstanden, sondern auch ein besonderes Selbstbildnis des heutigen Professors an der Münchner Kunstakademie. Der Leser erfährt, von wem Pitz sein erstes Taschenmesser bekam oder warum er einen 1982 in Mailand erworbenen Rasierpinsel seit 1988 im Atelier aufbewahrt, obwohl sich der Glaube, dass er dort noch einmal Verwendung finden würde, nicht bestätigt hat. „Theologisch gesehen gibt es aber keinen Grund,“ schreibt Pitz, „diesen Glauben und damit den Pinsel aufzugeben, denn 15 Jahre sind in Glaubensdingen eine kurze Zeit.“

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Am Anfang ihrer Karriere stehen drei Absolventen der Berliner UdK, die in diesem Jahr den Meisterschülerpreis erhalten haben und daher traditionell in der Galerie Michael Schultz ausstellen dürfen (Mommsenstraße 34, bis 24. September). Ihre Arbeiten sind denkbar unterschiedlich: Die 1976 in Kuwait geborene Hamra Abbas installierte lebensgroße Terrakotta-Frauen auf blauen Wänden, die mit Neon-Heiligenschein, Riesenbrüsten und feingliedrigen Händen ebenso an Madonnen wie an Pin-ups und Tempeltänzerinnen erinnern. Die 1974 in Seoul geborene Sun-Hee Kim thematisiert mit ihren Skulpturen Räume, genauer: Zwischenräume. Ihre fragilen Keramik-Quader sind Form gewordene Porösität, die Wandarbeit ein Vexierbild, dessen Leerstellen die Silhouette einer Menschengruppe umreißt. Das Künstlerduo Tammo Rist und Jakob Zoche hat unter dem Motto „Globalisierung braucht Demokratie“ die Vereinten Transnationalen Republiken gegründet, ein Manifest geschrieben und eine Währung eingeführt, die in der Galerie 1:1 getauscht werden kann. Revolutionär ist das nicht unbedingt – sehenswert allemal (Preise auf Anfrage).

Katrin Wittneven

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