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Oskargewinner. Der Film „Ida“ erzählt die Geschichte der jungen Novizin Anna.

© Arsenal

Festival des polnischen Films in Berlin: Zwischen den Frontlinien

Beim Festival des polnischen Films in Berlin treffen Kommunismus und Katholizismus aufeinander. Außerdem gibt es Wodka als Kaputtmacher und den schönsten Horrorfilm aller Zeiten.

Zuletzt hat „Ida“ auch noch den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewonnen, dieses kleine stille Kino-Wunderwerk von Pawel Pawlikowski („My Summer of Love“), das genau vor einem Jahr in unsere Kinos kam. Und das Festival des polnischen Films in Berlin, eben erst begonnen, so will es fast scheinen, erreicht nun auch schon sein zehntes Jahr.

Natürlich eröffnet es kommenden Mittwoch mit „Ida“, dieser Geschichte eines Mädchens, das nach dem Krieg hinter Klostermauern aufwuchs und nun, kurz vor seinem Gelübde, von der Äbtissin hinausgeschickt wird, ihre einzige lebende Verwandte zu sehen, von der sie bis eben nichts wusste. So viele Einstellungen sind von eigentümlicher, vollkommener Schönheit, man könnte den Film anhalten und jede einzeln rahmen, dabei ist so viel Härte in diesem Stück Kino.

Fronten zwischen Kommunismus und Katholizismus

Ida trifft auf die Schwester ihrer Mutter, Kommunistin, Richterin, Jüdin, in der sich Weltanschauung, Beruf und das eigene Schicksal zu etwas verbunden haben, das man wohl einfach nur Gnadenlosigkeit nennen kann. Sie heißt Wanda, genannt „die rote Wanda“. Und schon stehen wir mitten zwischen den Frontlinien, die durch so viele polnische Filme dieses Festivals laufen. Kommunismus und Katholizismus, ein feindliches Gegenüber, das es so wohl nur in Polen gab.

Der Altmeister des polnischen Kinos Andrzej Wajda scheint längst dem Ehrgeiz zu folgen, die polnische Geschichte möglichst ganz auf die Leinwand zu bannen, denn erst dann ist sie sicher, kann sie nicht mehr verloren gehen. Nun ist er bei Lech Walesa angekommen, dem Streikführer der Danziger Leninwerft.

„Walesa. Der Mann aus Hoffnung“ beginnt mit einem Interview, das der Elektriker, soeben zu internationalem Ruhm gekommen, einer italienischen Journalistin gibt. Die Reporterin glaubt an eine falsche Adresse, als sie vor dem betongewordenen Danziger Irrtum steht, auch sozialistischer Wohnungsbau genannt. Jede Hütte hat mehr Würde. Hier also wohnt Walesa? Und wie der Solidarnosc-Führer der Italienerin da gegenübersitzt, ist klar, das hier könnte schwer werden. Ihre Art gefällt ihm nicht, zu selbstherrlich! Die Bedingungen des Gesprächs bestimme er. Und wie der Mann da immer wieder „Nein! Nein! Nein!“ ruft, die Arme in die Luft wirft: kein angenehmer Mensch, dieser Werftarbeiter mit den vielen Kindern, auf den der Weltgeist ein Auge geworfen hat. Wajda gelingt, mit einem großartigen Hauptdarsteller, ein eindringliches Porträt, nah an den historischen Ereignissen.

Der schönste Horrorfilm aller Zeiten

Den Namen Walesa kennen noch immer fast alle, aber wer kennt Jack Strong? So heißt der neue Film von Wladyslaw Pasikowski. Jack Strong war der Deckname des polnischen Offiziers Ryszard Kuklinski, der auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges begann, für die Amerikaner zu arbeiten und auf eigene Faust Weltpolitik zu machen.

Ein Land zu kennen, heißt seine Geschichte zu kennen, das ist wohl so. Und doch muss niemand befürchten, als Geisel eines Bildungsauftrags genommen zu werden. Das polnische Kino kann auch anders. Zeigte das Festival 2014 eine Stanislaw-Lem-inspirierte Sci-Fi-Reihe, gilt es dieses Mal dem polnischen Horrorfilm. Polanskis „Tanz der Vampire“, der vielleicht schönste Horrorfilm aller Zeiten, ist da zwar unvermeidlich, aber eigentlich geht es um eine überaus spezielle Gattung: um den „gescheiterten Horrorfilm“. Also um solche, die keiner sehen wollte? Das ist doch mal ein Ansatz! Das Festival spricht von „verkannten Perlen des Genres“ wie „Docteur Jekyll et les femmes“ von Walerian Boroczyk oder „Possession“ von Andrzej Zulawski. Zu sehen sind außerdem „German Angst“ von Michal Kosakowski und „Haus der Finsternis“ von Wojciech Smarzowski.

Wodka als Kaputtmacher

Dieser Regisseur hat noch einen Horrorfilm der anderen Art, denn zuletzt liegt der größte Schrecken doch immer in uns selbst. „Zum starken Engel“ ist ein Alkoholikerdrama mit erbarmungslosen Bildern. Nichts für Zeitgenossen, die geneigt sind, den Wodka zu den unverlierbaren polnischen Kulturgütern zu zählen.

Zwei Menschen, die das polnische Kino im letzten Jahr verloren hat, werden mit einer Hommage geehrt: die Schauspielerin Malgorzata Braunek, unbeschreiblich weiblich, eine Ikone der 60er und 70er Jahre, und Krzysztof Krauze („Mein Nikifor“, „Papusza“), der das Kino mit jedem Film neu erfand.

Die Retrospektive gilt Agnieszka Holland, der Grande Dame des polnischen Kinos. Auch ihr Name ist wie der erstaunlich vieler polnischer Regisseure längst dem Weltkino eingeschrieben. Zu sehen sind neben bekannteren Filmen von ihr auch cinematografische Fundsachen wie „Provinzschauspieler“ oder „Eine alleinstehende Frau“ von 1981.

Frauen im Polnischen Kino? Eine hat soeben bei der Berlinale einen Bären geholt. Malgorzata Szumowska bekam ihn für ihre ebenso skurrile wie todernste, ebenso zärtliche wie spröde Vater-Tochter-Geschichte „Body“.

22.4. bis 29.4. u. a. im Babylon, Zeughauskino, fsk, auch im Filmmuseum Potsdam. Infos unter www.filmpolska.de

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