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Kultur: "Festival Junger Berliner Autoren": Krass: Pop-Autoren können Poesie!

In langer Schlange stand man an der Kasse des Roten Salons, Freitagabend, kurz nach Acht - zu einer Zeit also, wo Berliner Szenetypen früher gerade mal den Frühstückstisch abdeckten. Das frühe Auf- bzw.

In langer Schlange stand man an der Kasse des Roten Salons, Freitagabend, kurz nach Acht - zu einer Zeit also, wo Berliner Szenetypen früher gerade mal den Frühstückstisch abdeckten. Das frühe Auf- bzw. Anstehen lohnte sich: Was Falko Henning, Lena Kugler und ganz besonders Malin Schwerdtfeger beim "Festival Junger Berliner Autoren" in der Volksbühne (poppig als "Lesershow" betitelt) präsentierten, war: Literatur. Richtige Literatur, mit einem feinen Gespür für Sprache, Stimmung und Witz. Hennings elegante Überleitung von der Liebe der Deutschen zu "Wunderwaffen" (V2!), die sie mit ihrem Führer Adolf Hitler geteilt hatten, zu den Gummiskeletten, die die stolzen Wartburg- und Trabantbesitzer in Ludwigsfelde an ihre Rückspiegel zu hängen pflegten, hatte Charme. Dazu in Diabilder transformierte Alltagslyrik des letzten lebenden Bohemian Berlins, Helmut Höge.

Dieser irrte durch den vollkommen überfüllten Roten Salon, als suche er seine Enkelin. Blond könnte sie sein, mit Ponyfrisur und pinkfarbener enger Bluse, wie Malin Schwerdtfeger, die Klagenfurt-Preisträgerin, die aus ihrem Erzählband "Leichte Mädchen" vorlas. Mit kindlicher Stimme intonierte sie ihre etwas anderen Mama- und Papa-Geschichten, mit der Mama, die im Auftrag irgendeines "Arne" den Everest besteigt und dem Papa, der "Telearbeit" betreibt und hin und wieder von seiner Tochter eine Trombosespritze in den Wanst gerammt bekommt, ansonsten aber nicht sein Bett verlässt. Cut.

Es ist inzwischen Sonntagabend, nach durchtanzter Samstagnacht mit plattenauflegenden Dichtern und schreibenden DJs, geht die Leseshow in die allerletzte Runde und schickt mit Jan Wagner und Eva Corino Lyrik ins Rennen. Herr Wagner versucht sich in tiefsinniger Alltagsbetrachtung, pseudorhythmisiert: Lyrik ist das nicht. Die Corino zeigt sich talentiert, aber leider zu sehr dem Bachmann-Celan-Duktus verhaftet. Dann erzählen Katrin Dorn und Tanja Dückers aus dem Leben der Berliner, mit und ohne Stadtzeitung, mit und ohne Tango und mit und ohne Micky-Maus-Krawatte. Endlich der von der Kritik so wohlbedachte David Wagner, nicht in nachtblauer Hose, aber dennoch sehr gediegen. Sein Hosenroman langweilt ihn, er springt in blau-grüne Badeschlappen, wichtigstes Utensil seiner neuen Geschichte. Darin geht es um die amouröse Verbindung eines jungen Nerds mit einer Römerin, die sehr an ihrem "telefonino" hängt. Aha. Voller Wehmut denkt man zurück an Falko Hennings halbstündige Variationen über das Thema Häkelpuppe auf Trabbirücksitz.

Nadja Geer

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