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Alemayehu Eshete

© Shawn Brackbill

Festival Wassermusik (2): Synthese auf Augenhöhe

Der äthiopische Star Eshete und die Polyversal Souls beim Festival Wassermusik im Berliner Haus der Kulturen der Welt.

Alemayehu Eshete ist nicht der erste. Der vom US-amerikanischen Soul geprägte Sound des Sängers, der ab den späten Sechzigern Hit um Hit in Äthiopien aufnahm, war hierzulande lange unbekannt. Erst jetzt wird er wiederentdeckt, gemeinsam mit einer langen Liste afrikanischer Musiker – die meisten von ihnen sind weit über 70. Die schillerndste Figur: Mulatu Astatke, ein Landsmann Eshetes, der den Ethio-Jazz im deutschen Radio salonfähig machte. „Broken Flowers“, Jim Jarmuschs Film von 2005, spielte dabei eine wichtige Rolle. Dessen Soundtrack war geprägt von Astatkes Aufnahmen.

Das Wassermusik-Festival, sonst auf der Freilichtbühne des KW, muss an diesem Freitagabend wegen des aufziehenden Unwetters nach innen verlegt werden. Gemeinsam mit den Polyversal Souls steht Eshete auf der Bühne. Das Bandprojekt wurde von dem Schlagzeuger Max Weissenfeldt ins Leben gerufen; er war es auch, der den 1941 geborenen Äthiopier nun nach Berlin brachte. Für das Konzert hat die achtköpfige Truppe ein Best-Of-Programm des Altmeisters zusammengestellt.

Westafrikanischer Highlife

Der fühlt sich vor dem bunt gemischten Publikum sichtlich wohl und stolziert lässig über die Bühne, das weiße Hemd weit aufgeknöpft. Seine Stimme klingt immer noch jugendlich, mit einem Hauch Schärfe, während die Musiker ein solides Fundament liefern, das den stilistischen Bogen auch um Soul, westafrikanischen Highlife und spirituellen Jazz erweitert. Wurlitzer-Keyboard, knackige Bläser und Weissenfeldts trockener Schlagzeugsound beschwören die frühen siebziger Jahre. Und zwischendrin die markanten Rhythmen der äthiopischen Songs, oft im 6/8-Takt, auf denen Eshete seine Stimme gekonnt einzusetzen weiß.

Die Polyversal Souls spielten 2015 das Album „Invisible Joy“ ein, auf dem sie ähnlich vielseitig unterwegs sind. Das, was am Begriff Weltmusik so problematisch ist, löst sich bei ihnen auf. Man merkt, dass der Respekt und die genaue Kenntnis der unterschiedlichen Musikkulturen die Gruppe antreibt. Sie präsentieren keinen oberflächlichen Ethno-Jam, vielmehr betreiben die aus fünf Kontinenten stammenden Künstler eine musikalische Synthese auf Augenhöhe. Als Eshete für zwei Stücke verschwindet, stimmt die Berliner Band eine Highlife-Nummer an, die trotz der wunderbar melancholischen Gitarrenlinien, die den ghanaischen Originalen nacheifern, modern klingt. Dann kehrt Eshete zurück, stimmt einen seiner Hits an, „Addis Ababa Bete“, ist plötzlich von tanzenden Menschen umringt, die die äthiopische Flagge schwingen. Es ist einer der kuriosen Momente dieses so besonderen Konzerts.

Von Ken Münster

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