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Festspiele: Eine Bayreuth-Fanfare

Wer noch nicht wusste, von welch staatstragender Bedeutung die Bayreuther Festspiele sind, der konnte sich davon am frühen Dienstagabend definitiv überzeugen.

Es wird in die Bayerische Vertretung in die Behrenstraße geladen („dunkler Anzug, kurzes Kleid“), das Grußwort spricht mit gusseiserner Miene Kulturstaatsminister Bernd Neumann, auf dem Podium sitzt Bayerns Staatsminister für Kunst, Wolfgang Heubisch (FDP), und anschließend bittet die Bayerische Staatsregierung zum Staatsempfang. Die Phrasenquote ist hoch, die Dichte der sich drängelnden Exzellenzen, Adabeis und Blitzlichter ebenso. Festspiellaune, Lust auf Neu- Neu-Bayreuth macht das nicht.

Und auch Katharina Wagner – sie wird tatsächlich von einem Blaskapellen-Arrangement aus dem „Tannhäuser“ („Einzug der Gäste“) zu ihrem Sessel geleitet! – setzt ein Gesicht auf, als wünschte sie sich weit, weit weg. Liegt’s daran, dass sie einmal mehr allein ins Rampenlicht geschickt wird? Oder langweilt sie sich gar ein bisschen mit sich selbst, hängen ihr die Homepages, Public Viewings, Corporate Identities, Podcasts und Bayreuther Stadtstrände, über die sie seit über einem Jahr redet, zum Halse raus?

Unter dem vollmundigen Titel der Veranstaltung „Visionen vom Grünen Hügel“ war mindestens so vollmundig auch Eva Wagner-Pasquier angekündigt, Katharinas festspielleitende Halbschwester. Dass über deren Fehlen und Verbleib kein einziges Wort verloren wird, lässt Ungutes vermuten. Vielleicht, so raunt es seit Wochen aus dem Pressebüro der Festspiele, werde Frau Wagner-Pasquier sich 2010 öffentlich äußern. Nichts Genaueres wüsste man auch nicht.

Immerhin wird es diesen Sommer erstmals Einführungsvorträge zu einzelnen Inszenierungen geben. Und das Programm der nächsten Jahre liest sich ohnehin nicht schlecht. 2010: „Lohengrin“ mit Hans Neuenfels und Andris Nelsons. 2011: „Tannhäuser“ mit Sebastian Baumgarten/Thomas Hengelbrock. 2012: „Der fliegende Holländer“ mit Sebastian Nübling/Christian Thielemann. 2013, im Wagner-Jubiläumsjahr: Ein neuer „Ring“ mit Kirill Petrenko (Inszenierung noch offen). Und 2015: „Tristan und Isolde“, Katharina Wagners erste eigene Hügel-Regie nach den „Meistersingern“ von 2007, wiederum mit Thielemann im Graben.

Außerdem möchten sich die Festspiele in Zukunft um eine „lückenlose Dokumentierung“ ihrer Geschichte kümmern. In dieser Frage stünden bei ihrem Vater Wolfgang und bei ihr, so Katharina Wagner, „alle Türen offen“. Mal abgesehen davon, dass gerade die Ära Wolfgang Wagner diesbezüglich keinen größeren Ehrgeiz an den Tag gelegt hat, scheint aller Anfang schwer: Kleine Schildchen an den Bayreuther Richard- und Cosima-Büsten von Hitlers Liebling Arno Breker sollen ab diesem Sommer auf die nationalsozialistische Verstrickung des Bildhauers hinweisen. Streitfall indes bleibt die Villa Wahnfried: Museum der Moderne oder Museum seiner selbst – schon liegt sich halb Oberfranken wieder in den Haaren.

Der Bund wird seine Zuschüsse für Bayreuth 2010 auf 2,3 Millionen Euro erhöhen, und auch der Freistaat Bayern verspricht trotz Krise, „einen Zahn zuzulegen“. Der Grüne Hügel, so Neumann, sei der „deutsche Olymp“ und müsse auch von denjenigen erpilgert werden können, denen „der Geigenbogen nicht in die Wiege gelegt wurde“. Bei so viel Einigkeit und Zukunftspoesie hilft nur noch staatstragendes Applaudieren.

Christine Lemke-Matwey

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